Wenn schon, dann das kleinere weltliche Übel, lautet die Mission der ÖVP: Lieber "Ethik statt Religion" als "Schulfrei statt Religion". Wer den Religionsunterricht nicht besuchen will oder gar "ohne Bekenntnis" ist – beides gestehen Nicht-Gottesstaaten ihren Bürgern dankenswerterweise zu – soll nach dem Wunsch der ÖVP zwangsverfrachtet werden in den Ethikunterricht.

Das hat den Hautgout von cuius regio, eius religio – wessen das Land, dessen die Religion. Die Vertreter der (noch) dominierenden religiösen Mehrheit bestimmen, was die vom rechten Glauben Abgefallenen zu tun haben. Dann sollen sie wenigstens Ethik lernen. Und die Hierarchie bleibt auch schön unangetastet. Der Religionsunterricht thront oben, Ethik soll "nachrangiger" Pflichtgegenstand werden. Als wäre die Kirche die Monopolinhaberin für Werte und Moral. Das ist sie aber nicht. Bei Gott nicht, welchem auch immer.

Vor allem klingt der "Ethik-Ersatzdienst" nach Strafe und entwertet damit ein gesellschaftspolitisch eminent wichtiges Thema. Wie vermittelt eine säkulare Gesellschaft "Werte", Kritikfähigkeit, Toleranz, aber auch das, was junge Menschen zu einem gelungenen Leben in sozialen Zusammenhängen befähigt? Nicht im konfessionell gebundenen, absurderweise getrennten Religionsunterricht einer immer stärker multireligiösen und -kulturellen Schülerschaft. Kann er nicht, muss er ja auch nicht.

Ethikunterricht kann das leisten. Er geht (und das braucht eigene, hochqualifizierte Pädagogen und nicht zweckentfremdete Religionslehrer) weit über Religion hinaus. Ethik ist kein Synonym für Religionsunterricht ohne Religion. Sie leistet viel mehr. Darum sollte Ethik (natürlich inklusive Wissensvermittlung über Religionen) Pflicht für alle werden.

Religion ist Privatsache. Wer "seine" lernen will, kann das im konfessionellen Unterricht tun. Wer nicht, hat schulfrei. Ethisch unbedenklich. (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD, Printausgabe, 9. April 2008)