Der finanzielle Aufwand für die vor einem Jahr erfolgte ORF-Programmreform stehe noch in keinem Verhältnis zum Erfolg. Diese Ansicht vertritt der frühere ORF-Fernsehchefredakteur und nunmehrige TW1-Chef Werner Mück im Interview mit der APA. Das Ende der ZiB 1-Durchschaltung habe sich für die Hauptnachrichtensendung des ORF nicht bewährt, und in Sachen Sonntagabend-Talk fühle er sich rehabilitiert. Kritik übt Mück, der unter der früheren ORF-Chefin Monika Lindner an den Schalthebeln der Fernsehinformation saß und sowohl intern als auch extern von vielen Seiten bekämpft wurde, an der "öffentlichen Demontage auf Raten" von "Report"-Chef Gerhard Jelinek. TW1 könnte mit Beginn 2009 sein Info-Spartenprogramm starten.

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Wir stehen ein Jahr nach der größten ORF-Programmreform aller Zeiten. Finden Sie diese gelungen und die TV-Nachrichten des ORF heute besser?

Mück: Eine umfassende Programmreform war längst fällig, der Mut sie anzupacken ist lobenswert, dass nicht alles geklappt hat liegt vermutlich in der kurzen Zeitspanne der Vorbereitung und in der Natur des Risikos. Über den Erfolg entscheidet letztlich das Publikum. Dessen Sendertreue nimmt tendenziell ab. Das wurde durch die Reform jedenfalls nicht gebremst und stabilisiert sich nun auf niedrigerer Flughöhe. Der finanzielle Aufwand seht noch in keinem Verhältnis zum Erfolg und das schmerzt alle, die bei Gerhard Weis und Monika Lindner acht Sparprogramme umsetzen mussten.

Etliche "Zeit im Bild"-Sendungen hatten früher mehr Zuseher. Worauf führen Sie den Reichweitenrückgang zurück? Auf die Inhalte, sprich das Programm, oder die Digitalisierung?

Mück: Auf Programmkritik lasse ich mich nicht ein. Es ist unleugbar, dass die Digitalisierung und vor allem die Online-Angebote vieles vorwegnehmen, was man dann in den ZiB-Ausgaben erfährt. Bei der ZiB 1 ist es primär der Preis für den Verzicht auf die Durchschaltung. Damit hat man rechnen müssen.

Das heißt, das Ende der ZiB 1-Durchschaltung hat sich Ihrer Ansicht nach nicht bewährt?

Mück: Für die ZiB 1 sicher nicht. Für alle, die in der Durchschaltung eine "Zwangsbeglückung" sahen und statt 18 Minuten ZiB 1 lieber fünf Minuten ZiB 20 sehen wollen, vermutlich schon.

Wie gefällt Ihnen die ZiB 20?

Mück: Ich gehöre nicht zur Zielgruppe und sehe die ZiB 20 nur eher zufällig.

Vor allem die ZiB 2 kämpft offenbar mit den Quoten. Woran liegt das denn?

Mück: Die ZiB 2 hat oft unter dem Kontrastprogramm auf ORF 1 und den Programmbrücken auf ORF 2 gelitten. Dazu kommen nun auch noch die Online-Angebote, die vor allem von politisch Interessierten besonders genutzt werden.

Armin Wolf wird im jüngsten "profil", auf die Frage, was sich gegenüber der Info-Periode Mück geändert hat, mit dem Satz zitiert: "Es herrscht die große Freiheit." War die Fernseh-Information unter Ihnen als Chefredakteur unfrei?

Mück: Ohne die internen Entscheidungsabläufe zu kennen, glaube ich nicht, dass sich meine Nachfolger in nunmehr zwei Hauptabteilungen darauf reduzieren, Urlaubszettel zu unterschreiben. Subjektives Wohlbefinden einzelner ist noch kein objektiver Befund, sonst könnten wir auf Gesundenuntersuchungen verzichten. Große Freiheit allein sichert jedenfalls noch nicht automatisch Objektivität, Ausgewogenheit und Äquidistanz. Darauf zu achten ist und bleibt Aufgabe der Team-Chefs bzw. der Chefredaktionen. Davon bin ich jedenfalls überzeugt. Über Mangel an Freiheit haben sich übrigens bei mir nur einige wenige und deren Netzwerke beklagt.

Die Diskussionssendung "Offen gesagt" wurde von Ihren Kritikern oft als "Baustelle" des ORF beschrieben. Das Nachfolgeformat "Im Zentrum" hat deutlich weniger Zuseher, fühlen Sie sich rehabilitiert?

Mück: Dem kann ich nicht widersprechen. Die Kritik an "Offen gesagt" war geschmäcklerisch. Entscheidend sind nicht Locations, sondern Themen und Gäste.

Leidet die Fernseh-Information unter einem Sparzwang?

Mück: Ich sehe, dass viel Geld in Sendungsdesigns und Personal investiert wurde. Geld, das es unter Generaldirektorin Lindner jedenfalls nicht in diesem Ausmaß für die Information gegeben hat. Ich freue mich für die Kolleginnen und Kollegen in der TV-Information, bin aber überzeugt, dass die Rechnung erst geschrieben wird.

Die neue ORF-Führung ist wieder zum System der Sendungsverantwortlichen mit vielen Häuptlingen zurückgekehrt. Das bessere Konzept?

Mück: Sendungsverantwortliche gab es ja auch unter meiner Leitung, beispielsweise in allen Magazinen. Die sind jetzt allerdings in einer zweiten Hauptabteilung mit eigener Verwaltungsstruktur organisiert. Der Streitfall war ja meine Doppelfunktion als Chefredakteur und Sendungsverantwortlicher aller ZiB-Ausgaben. Dort hat man jetzt eine zusätzliche Managerebene samt Sekretariaten. Das konnten wir uns eben nicht leisten, für mich und meine zwei Stellvertreter wäre es jedenfalls bequemer gewesen.

Ihnen hat man als Chefredakteur Mobbing vorgeworfen und eine Kommission gegen Sie eingesetzt. Was halten Sie davon, dass "Report"-Chef Gerhard Jelinek via Medien in Monatsabständen ausgerichtet wird, dass er demnächst abgesägt wird?

Mück: In Ihrer Frage liegt die Antwort. Was man mit mir gemacht hat, war politisch motiviertes Spektakel, für das sich danach einige bei mir entschuldigt haben. Was mit Kollegen Jelinek geschieht ist öffentliche Demontage auf Raten und entlarvt den Betreiber.

Wann werden wir denn auf TW1 die ersten Parlamentsübertragungen sehen, sprich wann startet Info plus?

Mück: TW1 ist darauf vorbereitet. Realistisch gesehen, könnte es mit Jahresbeginn 2009 so weit sein.

Die Geschäftsführung beruft sich ja immer darauf, die EU-Prüfung abwarten zu wollen. Ist das notwendig oder nur ein Vorwand um Ihnen die Arbeit zu erschweren?

Mück: Es macht schon Sinn, jede Änderung des ORF-Gesetzes im Konsens mit der EU zu betreiben. Andererseits ist es auch eine Frage der Selbstachtung, inwieweit man Unternehmensziele oder nationale Interessen an Brüssel delegiert. Mit meiner Arbeit hat das sicher nichts zu tun, TW1 läuft prächtig und was hätte es für einen Sinn, Erfolg zu bestrafen. (Das Interview führte Johannes Bruckenberger/APA)