Tokio - Die japanische Justiz steigert das Hinrichtungstempo. Allein am Donnerstag wurden vier Personen gehängt, teilte Justizminister Yukio Hatoyama mit. Damit erhöht sich die Zahl der Hinrichtungen seit seinem Amtsantritt im September 2007 auf zehn. So hart mussten die Henker noch nie arbeiten, seit 1993 nach einem dreijährigen Moratorium die Ausführung der Todesstrafe wiederaufgenommen wurde.

Wie Kritiker meinen, zeigt die Hinrichtungswelle die Entschlossenheit des Justizministeriums, selbst gegen Proteste der EU die Todeszellen schneller zu leeren. Denn die Zahl der zum Tode verurteilten Insassen wächst. Derzeit warten 104 Menschen darauf, eines Morgens mit der Nachricht geweckt zu werden, dass an diesem Tag ihre letzte Stunde geschlagen hat. In Japan wird das Datum der Hinrichtung bis zuletzt vor dem Häftling und den Familien der Opfer geheim gehalten.

Treibende Kraft hinter der Wiederbelebung des Henkertums ist Justizminister Hatoyama. Er hat sich im vorigen Jahr für ein vereinfachtes Hinrichtungsverfahren eingesetzt. Demnach soll der Vollstreckungsbefehl für die Todesstrafe nicht mehr wie bisher vom Justizminister unterzeichnet werden müssen.

Die Menschenrechtsgruppe Amnesty International klagte nun Japan an, sich gegen den internationalen Trend zu stellen. Auch Japans Juristenvereinigung wiederholte die Forderung nach einem Moratorium, um die Todesstrafe öffentlich diskutieren zu können. Denn aufgrund harter Verhörmethoden ist in Japan die Chance größer als in anderen Ländern, dass Schuldlose zum Tod verurteilt werden.

Menschenrechtler kritisieren vor allem das Recht der Polizei, Verdächtige 23 Tage verhören zu können, bevor Anklage erhoben wird. Selbst viele Anwälte raten ihren Mandaten, zu gestehen und dann später vor Gericht zu widerrufen, um dem immensen Druck zu entfliehen. Ein fataler Rat, denn die Gerichte stützen Verurteilungen eher auf Geständnisse als auf Indizien. (Martin Kölling, DER STANDARD - Printausgabe, 11. April 2008)