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Simbabwische Kinder auf einer Mauer mit Wahlkampfpostern von Präsident Robert Mugabe. Mugabes Partei verlor bei der Wahl am 2. April die Mehrheit. Das Ergebnis wurde aber noch immer nicht verlautbart.

Foto: EPA
Doch der tägliche Lebenskampf hält sie zurück.

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Die staubige Straße nach Mbare, an deren Rand flache Arbeiterhäuser aus Stein stehen, ist kaum befahren. Nur ab und zu rast hupend einer der rostigen Toyotabusse vorbei, die als Sammeltaxi vom ältesten Armenviertel der simbabwischen Hauptstadt ins Zentrum verkehren. „Zur Arbeit und zurück kostet mich der Bus heute 35 Millionen simbabwische Dollar“, beschwert sich Gloria, die am Straßenrand wartet. 35 Millionen Dollar, das sind nach dem aktuellen Schwarzmarktkurs zwar nur knapp 50 Eurocent – aber zugleich fast ein Zehntel dessen, was die Sekretärin Ende März als Gehalt bekommen hat. „Und morgen ist es vielleicht schon wieder teurer, mindestens zweimal die Woche wird der Preis hochgesetzt, weil Benzin täglich teurer wird.“

Kein Zweifel am Sieg

Mbare ist eine Hochburg der Opposition. Fast jeder hier hat für die „Bewegung für demokratischen Wandel“ (MDC) und ihren Chef, den langjährigen Regimekritiker Morgan Tsvangirai, gestimmt, an seinem Sieg zweifelt niemand. Wenn er nicht bald verkündet wird, so warnt der schon grauhaarige George, dann wird ganz Mbare auf die Straße gehen.„Ich werde der erste sein, der gegen Präsident Robert Mugabe demonstriert.“ Doch bislang warten die meisten Bewohner nur ab, nervös, aber tatenlos.

„Angeblich bereiten ein paar Leute schon etwas vor“, sagt die junge Mutter Regina. Sie hat den Tag in der Schlange vor einem Supermarkt verbracht, es soll Brot kommen, hatte es geheißen. „Nach zwei Stunden wollte ich gehen, aber wir haben seit drei Wochen kein Brot mehr gehabt, und mein Sohn hat angefangen zu weinen – also bin ich geblieben.“ Simbabwer wie Regina, die große Mehrheit der Bevölkerung, sind schlicht zu erschöpft für einen Aufstand.

50-Millionen-Dollar-Schein

„Ich habe Geld, aber was soll ich damit anfangen?“, ärgert sich selbst ein Beamter im maßgeschneiderten Anzug, der vor einem Laden seinen schwarzen Mercedes aufschließt und mit einem Bündel 50-Millionen-Dollar-Scheine wedelt. „Maismehl, Zucker oder Pflanzenöl habe ich schon seit Monaten nicht mehr in den Regalen gesehen.“ Trotzdem, gibt der Mann zu, hat er erneut für die Regierung gestimmt. Viele Beamte machen sich zu Recht Sorgen, dass sie nach einem Regierungswechsel die über Jahre angesammelten Privilegien und ihre Arbeit verlieren könnten. Auch deshalb hat Mugabe selbst nach Ansicht der Opposition mehr als 40 Prozent der Stimmen bekommen, trotz der Rekordinflation von mehr als 164.000 Prozent.

Doch trotz der düsteren Lage macht sich Zuversicht breit, seit die Opposition zumindest den Sieg bei der Parlamentswahl zugesprochen bekommen hat. „Selbst der Geheimdienst ist gespalten, deshalb rede ich mittlerweile auf offener Straße über Politik“, gibt sich Unternehmensberater Gibson zuversichtlich. Seinen echten Namen will er zwar geheimhalten. Dafür teilt der ehemalige Unternehmer, dem Mugabes Partei Zanu-Pf schon einmal erfolglos einen Ministerposten angeboten haben soll, frei sein Wissen. „Mugabe und die Polizeiführung wollten schon vor Tagen Unruhen in Harare schüren.“ Doch die jungen Polizeioffiziere seien nicht dazu bereit gewesen: „Die haben gesagt: Wenn Mugabe Leute umbringen will, dann soll er sich ein Maschinengewehr nehmen und selbst auf die Straße gehen, wir tun es nicht.“

Nein zu Stichwahl

Offensichtlich ist das Establishment über die Zukunft gespalten. Eine Mitteilung des Luftwaffengenerals, man werde im Fall unparteiisch bleiben, lief sogar im Staatsradio. Zeitgleich wurden andere Generäle aufs Land entsandt, um Milizen und Soldaten gegen Oppositionsanhänger aufzuhetzen. „Das Establishment, das sind auch Menschen, wir dürfen sie nicht überschätzen“, erklärt der Methodistenpriester Johnny Dube. „Die können nicht vor und nicht zurück und wissen nicht, was sie als nächstes tun sollen.“

Leute wie Dube und Gibson sind sicher, dass das Regime des 84-jährigen Mugabe, der seit 1980 regiert, vor dem Ende steht. „Es kann einfach nicht so weitergehen“, sagt Gibson. „Auf den wenigen bestellten Feldern erwarten wir eine Missernte wegen Düngermangel und Dauerregens, in drei Monaten hungert das ganze Land.“

Die Opposition verweigerte zuletzt die Teilnahme an einem zweiten Durchgang der Präsidentschaftswahl, Mugabe will eine erneute Auszählung von fünf Wahlkreisen erzwingen. (Marc Engelhardt aus Harare/ DER STANDARD Printausgabe, 11.4.2008)