Roman Hagara, 2000 und 2004 Olympiasieger im Segeln, hat sich Restromantik bewahrt. „Klar ist das naiv.“ Er freut sich auf Peking – obwohl der Sportler nicht mehr im Zentrum steht.

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STANDARD: Verfolgen Sie als Peking-Teilnehmer den Hürdenlauf der olympischen Fackel und die Protestaktionen der Tibet-Sympathisanten?

Hagara: Natürlich. Ich informiere mich übers Internet, lese Zeitungen. Weil es uns Sportler indirekt betrifft. Oder sogar direkt.

STANDARD: Wie gehen Sie damit um?

Hagara: Die Region Tibet hat mich immer interessiert. Ich habe das Buch von Heinrich Harrer gelesen, den Film gesehen. Über die politische Situation wusste ich weniger, dieses Wissen kommt jetzt dazu. Aber ich sage mir, dass der Sport das bleiben soll, was er ist: Sport.

STANDARD: Freuen Sie sich noch auf die Olympischen Spiele?

Hagara: Sicher. Olympia ist der Höhepunkt in einem Sportlerleben. Der gesamte Sport lebt davon.

STANDARD: Der Fußball lebt nicht davon. Sind die Spiele nicht eher eine Bühne für Randsportarten?

Hagara: Den Ausdruck mag ich nicht. In Österreich mag Segeln ein Randsport sein, weltweit gilt das nicht.

STANDARD: Käme ein Boykott für Sie infrage?

Hagara: Nein. Die Politik ist gefordert. Natürlich wird der Sport von den Tibetern genützt, um ihre Anliegen vorzubringen. Und so wird der Sport automatisch mit reingezogen. Das war in der Vergangenheit auch der Fall, 1980 und 1984 wurden Spiele boykottiert. Es war sinnlos.

STANDARD: War es vom IOC ein Fehler, die Spiele an China zu vergeben?

Hagara: Da müsste man die Hintergründe kennen. Der Sport will zwar nicht politisch sein, er wollte aber vermutlich positiv einwirken und China indirekt dazu bewegen, einen anderen Weg einzuschlagen. Die Menschenrechtsverletzungen sind ja nichts Neues.

STANDARD: Das dürfte in die Hose gegangen sein, oder?

Hagara: Ich glaube, dass die Gespräche erst anfangen. Bleibt abzuwarten, was dabei rauskommt. Aber natürlich ist die gesamte Optik schief.

STANDARD: Ist das romantische Gerede vom olympischen Geist zeitgemäß?

Hagara: Als Spitzensportler lebt man noch immer im Glauben vom völkerverbindenden, fairen und friedlichen Wettstreit. Klar ist das naiv. Natürlich stecken wirtschaftliche Interessen dahinter. Das sah man ja auch zuletzt bei der Vergabe der Winterspiele an Sotschi.

STANDARD: Ist der Athlet das schwächste Glied in der Kette?

Hagara: Es hat sich in diese Richtung entwickelt. Alles ist kommerzieller geworden. Und China ist ein großer Markt. Wir profitieren auch davon, verdienen Geld. Aber wir können die Welt nicht verbessern.

STANDARD: Sollte die Eröffnungszeremonie boykottiert werden, würden Sie mitmachen?

Hagara: Beschließt es das IOC, schließt man sich als Sportler an. Allein würde ich nicht boykottieren. Wir dürfen politisch nicht tätig werden. Das ist richtig. Umgekehrt verwendet die Politik den Sport sehr wohl. Das ist falsch.

STANDARD: Sie sind vor China gesegelt, gewannen 2007 die Pre-Olympics. Fühlten Sie sich eingeschränkt?

Hagara: Nein. Für uns Ausländer war das kein Problem, wir konnten alles machen, überall hingehen. (Christian Hackl, DER STANDARD, Printausgabe, 11.4.2008)