Wien - Schuld trage der Konsument, sagt Kurt Mann. Dieser fordere vom Handel bis fünf Minuten vor Ladenschluss volle Brotregale, was jeder Vernunft widerspreche. "Es wäre schön, wenn Kunden mehr Einsicht zeigen könnten und nicht abends auf das komplette Sortiment bestehen." Mann zählt 66 Bäckereifilialen. Im Schnitt liege der Anteil an Retourwaren in seinen Märkten bei acht Prozent. Täglich komme da schon ein 24-Kubikmeter-Container zusammen. Das seien pro Monat 80 bis 100 Tonnen. Was in den Shops übrigbleibe, dürfe laut Lebensmittelgesetz nicht gegessen werden, sagt Mann. Sein Altbrot werde daher - wie in der Branche üblich - zu Biogas verbrannt.

Als Dauerbrenner sieht ein Kollege die großen Mengen an Brotwaren aus Supermärkten, die täglich retour an die Produzenten gehen. Der Anteil liege oft bei mehr als 25 Prozent und sei derzeit so hoch wie nie. Der Grund für den massiven Anstieg seien das wachsende Sortiment und die längere Ladenöffnung. Die Bäcker lieferten de facto auf Kommission. "Kostenlose Abenddekoration für den Handel", formuliert es einer von ihnen spitz. Spar und Billa könnten sich eben abends keine leeren Regale leisten. Folge: mehr Essbares in Mülltonnen, Tierfutterproduktionen und Gasanlagen.

Kunden wollen volle Regale

Bei Billa liege der Anteil an Retourware bei Brot bei unter 20 Prozent, sagt Konzernsprecherin Corinna Tinkler. Die Kette backe vieles frisch, das Angebot ließe sich daher einfacher steuern. Doch anders als bei Diskontern erwarte sich der Kunde von Vollsortimentern das gesamte Frischeangebot bis zum Ladenschluss. "Niemand kann es sich erlauben, abends keine Kornspitz oder Kaisersemmeln zu führen."

Vom Brotabverkauf kurz vor Ladenschluss hält Bäcker Mann nichts: Mancher Kollege in Graz, der das praktiziere, würde es lieber rückgängig machen, da die Kunden ihm nur noch ab 17 Uhr die Filialen stürmten, meint Mann.

In Europa landen täglich Tonnen an Lebensmitteln auf dem Müll. Im Schnitt entsorgt ein Österreicher im Jahr 40 Kilo an Nahrungsmitteln, meist noch originalverpackt, zeigt eine im Februar veröffentlichte Analyse der Universität für Bodenkultur Wien. Dazu kommen täglich Tonnen an Lebensmitteln, die direkt von den Handelsregalen in den Abfall wandern.

Zweite Chance

Doch manche Produkte erhalten eine zweite Chance in Sozialsupermärkten. Heidi Anderhuber ist Leiterin der zwei Grazer Vinzimärkte. Sie zählt täglich 150 Kunden, die dort gespendete Waren günstig einkaufen. Die Nachfrage habe sich gegenüber 2007 um 25 Prozent erhöht, sagt sie, das liege auch an den gestiegenen Preisen im Handel. Sie arbeite gut mit Bäckereien, Spar und Pfeiffer zusammen. Hofer und Lidl zeigten sich wenig kooperativ, bedauert Anderhuber. Oft scheitere es an der Firmenphilosophie oder am Verständnis der Filialleiter vor Ort. Ihre Bilanz: Es sei nicht einfacher geworden, Betriebe dazu zu gewinnen, Lebensmittel Sozialprojekten zukommen zu lassen, statt sie auf den Müll zu werfen. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12./13.4.2008)