Demokratie in Gefahr
Angesichts der jüngsten Bilder aus Haiti, Ägypten, Kamerun oder Indonesien ist es keine Sekunde lang übertrieben, dass Währungsfonds-Präsident Dominique Strauss-Kahn vor "furchtbaren Konsequenzen" warnt – und zwar nicht nur für die Menschen, die in diesen Tagen Hunger leiden müssen. Strauss-Kahn sieht die Weltwirtschaft und letztlich die Demokratie in Gefahr. Das ist eine Perspektive, die über die moralische Empörung, dass es in unserer Welt des Überflusses noch Hunger gibt, deutlich hinausgeht.
Beispiel Haiti, Beispiel Somalia: Beide Länder sind in ihren jeweiligen Regionen seit Jahren Unruheherde, die auch durch (internationale) Interventionen nicht in den Griff zu bekommen sind. Sie sind klassische Fallbeispiele gescheiterter Staaten und strahlen eine Instabilität aus, die etwa am politisch leicht entzündlichen Horn von Afrika zu einem unkontrollierbaren Flächenbrand führen kann, der sich bis in den Sudan und Zentralafrika ausweitet – inklusive aller Konsequenzen vom Ölmarkt bis zur den Schifffahrtsrouten im Roten Meer.
Oder: Warum sollten die Menschen in Côte d'Ivoire, Burkina Faso oder Mexiko in ihrer Heimat bleiben, wenn sie sich ihr Brot nicht mehr leisten können, weil Europäer und Amerikaner auf dem Weg zum Supermarket Getreide in ihren SUVs verfahren? Entwickeln sich die Nahrungsmittelpreise in dieser Dynamik weiter, wird der ohnehin schon hohe Migrationsdruck auf die Industriestaaten durch Millionen von Hungerflüchtlingen noch steigen.
Globale Konzepte gefragt
Es geht nicht mehr nur um Äthiopien, Bangladesh oder die Sahel-Zone. Hunger ist in einer globalisierten Welt zu einer globalisierten Bedrohung geworden, der ausschließlich mit globalen Konzepten beizukommen ist. Die entwickelten Staaten müssen die Lebensmittelkrise so ernsthaft bekämpfen wie den Terrorismus, gegen den enge internationale Netzwerke geküpft und zig Milliarden Euro ausgegeben werden.
Die Rahmenbedingungen dafür haben die Vereinten Nationen in Form der Millenniums-Ziele bereits vor Jahren abgesteckt. Bisher fehlte allerdings auf allen Seiten (auch unter Entwicklungsländern) der politische Wille, dieses Programm auch mit dem nötigen Nachdruck zu verfolgen. In diesem Fall aber wird in der Tat mehr benötigt als Koordinaten für Marschflugkörper oder Einsatzbefehle für Spezialtruppen. In diesem Fall braucht es neben einigem Geld einen langen Atem und vor allem einen partnerschaftlichen Ansatz, denn nur der kann zu nachhaltiger Entwicklung führen, die Hunger tatsächlich zu einer Geißel aus einem längst vergangenen Jahrhundert macht.