Carl Djerassi: "Vier Juden auf dem Parnass. Ein Gespräch". Haymon, 2008. 24,90 Euro.

Coverfoto: Haymon Verlag

Theodor Adorno, Walter Benjamin, Arnold Schönberg, Gershom Scholem: ein Frankfurter Philosoph, ein Berliner Gesellschaftstheoretiker, der Wiener Zwölftonmusik-Begründer, ein Berliner Religionshistoriker. - Vier hohe Exponenten europäischer Geistesgeschichte des 20. Jahrhundert, vier Juden, die aus der Sicht Carl Djerassis "berlinerischer oder wienerischer waren als ihre nichtjüdischen Landsleute". Djerassi, 1923 in Wien geboren, fühlt sich als säkularer Jude derselben Generation zugehörig. In "Vier Juden auf dem Parnass" versammelt er die Denker im Himmel der Intellektualität (der Parnass ist der Sitz der Musen) und lässt sie Disput führen: über und mit ihren Ehefrauen, über ein Bild Paul Klees, jüdische Identität und - Pornografie. Im postmodernen Jenseits wird anhand von Briefmarken die Definition des Judentums der Österreichischen Post erörtert, und Benjamin darf "Porno-Adorno" zum großen Vertreter der "Kritischen Theorie" sagen.

Djerassi, der 1938 in die USA emigrierte, schrieb selbst Geschichte: Als "Vater der Antibabypille" begründete er auf naturwissenschaftlichem Weg eine große gesellschaftliche Umwälzung des 20. Jahrhunderts. Später wurde er zum Romancier und Dramatiker.

Die Systematik der Naturwissenschaft hat er sich für sein neues Werk erhalten. Die Dialoge resultieren aus tiefer Kenntnis der umfangreichen Schriften über die Lebenswelten der vier Denker. Augenzwinkernd spielt er mit bildungsbürgerlicher Gelehrsamkeit und konterkariert sie mit intimen Details, dem Wer-mit-wem in der Intellektuellenclique der deutsch-österreichischen Moderne. Der dialogische Abgleich der vier jüdischen Selbstentwürfe verhandelt letzten Endes auch Djerassi weltanschauliche Position.

In Klees Zeichnung "Angelus Novus", den Benjamin im Essay "Über den Begriff der Geschichte" thematisierte, ist ein weiterer großer symbolhafter Angelpunkt gefunden. Die Werke Klees greift auch Fotokünstlerin Gabriele Seethaler, die mit ihrer Arbeit den Text begleitet, immer wieder auf. (Alois Pumhösel/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15. 4. 2008)