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Der „Cavaliere“ kehrt zurück in die Manege: Sylvio Berlusconis Mitte-Rechts-Bündnis profitierte vor allem von der Enttäuschung der Wähler über Romano Prodis gescheiterte Regierung.

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Peter A. Ulram: „Radikale Ränder wurden erstmals degradiert.“

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Mit zwei gemäßigten Blöcken gibt es nun auch genug Spielraum für lagerübergreifende Reformen

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Italien hat gewählt, und das Resultat ist eindeutig ausgefallen: eine klare Mehrheit für das Mitte-rechts-Bündnis in beiden Kammern des Parlaments, eine Anerkennung für den Reformkurs der Democratici, aber eben kein Regierungsmandat, eine klare Absage an diverse Kleinparteien, vor allem an die radikale „Regenbogen-Linke“, die sowohl aus dem Senat wie aus der Abgeordnetenkammer hinauskatapultiert wurde, und ein Dämpfer für den christdemokratischen Restposten UDC, der sich nur im tiefen Süden über die Runden retten konnte. Die italienischen Wähler und Wählerinnen haben zwei Dinge zum Ausdruck gebracht: einen Denkzettel an die abgetretene Mitte-links-Koalition, speziell an deren radikalen Flügel, und einen Wunsch nach klaren politischen Verhältnissen, handlungsfähigen Parteien und vernünftigen politischen Zielen – rechts wie links. Die alte Mitte-links-Regierung unter Romano Prodi war auf allen Linien gescheitert – nicht weil sie eine „linke Politik“ (so die Kritik Berlusconis) oder eine „programmatische Politik“ (so Prodi) gemacht hätte, sondern weil sie überhaupt keine zielgerichtete Politik verfolgt hatte, es sei denn die Rücknahme der ohnehin nur zaghaften Reformversuche der Vorgängerregierung. Die politische Linie Prodis war im Regelfall die des kleinsten gemeinsamen Nenners bzw. ein Nachgeben an die Forderungen desjenigen, der gerade das größte Erpressungspotenzial aufwies.

Häufige Skandale

In der Folge war das Land in eine veritable wirtschaftliche und politisch-moralische Krise geschlittert, alte und neue Versäumnisse wie der De-facto-Bankrott der Alitalia (unter tatkräftiger Mithilfe der Gewerkschaften), der Müllskandal in Kampanien (einer seit eineinhalb Jahrzehnten links regierten Region), die verheerende Sicherheitslage nicht nur in den großstädtischen Bezirken, eine weitgehend unkontrollierte Zuwanderung im Verein mit einer oft durchpolitisierten Justiz – all das hatte das ohnehin schwache Vertrauen in die politischen und administrativen Institutionen auf einen neuen Tiefstand gebracht und die Handlungsunfähigkeit der Regierung offensichtlich gemacht. Die Häufigkeit und Intensität der politischen und wirtschaftlichen Skandale brauchte zudem den Vergleich mit der Ära Berlusconi nicht zu scheuen. Die gemäßigte Linke (Partito Democratico) unter Walter Veltroni hatte zwar im Prinzip die Zeichen der Zeit erkannt und einen mutigen Befreiungsschlag versucht, indem sie eine neue Partei mit einem seriösen Partner (Italia dei Valori) aus der Taufe gehoben und sich von Prodi und den Linksradikalen distanziert hatte. Nur konnte sie nicht die Erinnerung daran vergessen machen, dass sie den Hauptpfeiler der alten Koalition gebildet hatte.

Zudem versprach Veltroni zuviel und war für eine flächendeckende Erneuerung zu schwach – wider Willen durfte er die politischen Hauptverantwortlichen für den Müllskandal nicht entsorgen, sondern musste sich sogar öffentlich dafür bedanken, dass der Regionalpräsident seine Region „in schweren Zeiten nicht im Stich gelassen hatte“ (vulgo keine Konsequenzen gezogen hatte), bei den zeitgleich mit den Parlamentswahlen stattfindenden Gemeinderatswahlen in Rom präsentierte sich wieder das unselige Mitte-links-Bündnis. Zur radikalen Linken zählen in Italien übrigens auch die Grünen, die nie über eine Ideologie des „Gegen Alles und Jeden“ hinausgekommen, dafür aber im Bündnis mit zwei altkommunistischen Parteien auf- und untergegangen sind. Bestraft wurde letztendlich auch die UDC unter Casini, die allzu deutlich auf ein Rolle als Zünglein-an-der-Waage spekuliert hatte und ansonsten von der verblichenen Democrazia Cristiana zwar all deren Defekte, aber keine ihrer Tugenden geerbt hatte.

Berlusconi – dessen Schwächen, seine Vermischung von privat und öffentlich, Medien und Politik, Gerichtsverfahren und mitunter unsäglichen Sager auch vielen Wählern des Popolo dell Liberta nicht behagen – war zum einen das kleinere Übel, zum anderen aber die einzige Alternative, die sich diesmal seriöser als sonst präsentierte und vor dem Hintergrund wirtschaftlich schwieriger Zeiten allemal mehr Vertrauen einflößte als die nachgewiesene Inkompetenz der Kontrahenten. Das Mitte-rechts-Bündnis hat einen dezidierten Reformauftrag erhalten – zusammen mit einer ausreichenden Mehrheit, um ihn auszuführen und ohne die Möglichkeit, sich bei politischem Versagen auf unsichere Kantonisten in den eigenen Reihen ausreden zu können.

Die italienischen Wahlen haben zudem eine weitere Richtungsentscheidung gebracht. Es gibt jetzt zwei große, gemäßigte und intern halbwegs kohärente Parteien der rechten und linken Mitte und dazu noch drei kleinere, aber koalitions- und handlungsfähige Partner im Parlament. Die radikalen Ränder wurden erstmals in der italienischen Nachkriegsgeschichte zu Randerscheinungen degradiert.

Vorweggenommene Reform

Die Wähler haben in gewissem Sinne jene Reformen vorweggenommen, die von den Parteien nicht oder erst ansatzweise in Angriff genommen worden sind. Die Linksdemokraten wären gut beraten, auf ihrem Weg fortzuschreiten, die rechte Mittel wäre gut beraten, den Konsens in demokratiepolitischen Fragen mit der Opposition zu suchen, und wenn es in Italien noch ein paar vernünftige Grüne geben sollte, wären sie gut beraten, die Altkommunisten in ihrem Ewiggestrigen-Dasein allein zu lassen und eine eigenständige grüne Partei auf die Beine zu stellen. In jedem Fall gibt es zwei starke und handlungsfähige Parteien und die Möglichkeit eines problemlosen, nicht angstbesetzten Wechsels bei den nächsten Wahlen ebenso wie genügend Spielraum für auch lagerübergreifende Reformen – Stichwort Wahlrecht, Föderalismus und institutionelle Erneuerung. Die italienischen Wahlen und Wähler haben weise entschieden – sie haben den Anstoß für die dringliche Reform des politischen Systems gegeben und auch die Rahmenbedingungen dafür geschaffen – es liegt nun an den Politikern des Belpaese, diese Chance auch zu nutzen, eine zweite wird so schnell nicht mehr kommen. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.4.2008)