Ergänzende Anmerkungen zu Kommentaren von Christian Fleck und dem Grazer Uni-Senat.

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Der Soziologe Christian Fleck warnte unlängst an dieser Stelle vor „zentralwirtschaftlichen Verirrungen“ in der geplanten Unigesetznovelle („Einzug des „Neostalinismus in die Alma Mater“, Standard, 11. 4.), der Senat der Uni Graz äußerte am selben Tag seine Besorgnis angesichts der Tendenz, die akademische Führungsgremien zunehmend mit „wissenschaftsfremden“ Personen zu besetzen. Prinzipiell stimme ich den kritischen Anmerkungen der Kollegen zu. Allerdings bieten ihre Interventionen meines Erachtens keine klaren, umfassenden Lösungsstrategien an. Das wäre aber dringend nötig, wenn die österreichischen Universitäten sich politisch durchsetzen und ihren internationalen Ruf verbessern wollen, Aus wissenschaftlicher Tradition und aktueller internationaler Praxis geht hervor, dass Universitäten ein Hauptziel haben, nämlich die Förderung wissenschaftlicher Qualität. Obwohl dieses Ziel nicht direkt im grundlegenden Paragraphen I des Universitätsgesetzes formuliert wird – was ich bedauere –, können alle anderen darin enthaltenen Zielsetzungen daraus abgeleitet werden – insbesondere etwa jene, „verantwortlich zur Lösung der Probleme des Menschen sowie zur gedeihlichen Entwicklung der Gesellschaft und der natürlichen Umwelt beizutragen“. – Was aber ist wissenschaftliche Qualität?

Es gibt keinen wissenschaftlichen Gott, der entscheidet, welche Wissenschaft gut ist, wohl aber bessere und schlechtere Methoden, sich einer Evaluierung wissenschaftlicher Arbeit anzunähern. Die Option der „Selbstevaluierung“ scheidet etwa auf Grund der Befangenheit der jeweiligen Wisssenschafter/innen ebenso aus wie die Überprüfung durch Fachfremde.

Plädoyer für „Peer Review“

Die sinnvollste Möglichkeit, die Qualität wissenschaftlicher Forschung zu evaluieren, ist meiner Ansicht nach „Peer Review“ – also ein anonymes Begutachtungsverfahren, das ausschließlich von international anerkannten Vertretern der gleichen spezifischen Teildisziplin getragen wird, und die ihre Meinungen im Rahmen des Prüfungsverfahrens frei und vertraulich äußern können. Interessenkonflikte sind systematisch zu vermeiden. Und wenn es um die Evaluierung interdisziplinärer Forschungsprojekte geht, müssen die verschiedenen Teildisziplinen und ihre synergetische Interaktion selbstverständlich getrennt begutachtet werden. Dazu kommt:: Da die internationale Forschungssprache in den meisten Fächern (Ausnahme: Philologien) längst nicht mehr Latein, Deutsch oder Esperanto, sondern Englisch ist, funktioniert Peer Review auf höchster internationaler Ebene im 21. Jahrhundert nur in dieser Sprache. Das mag man bedauern, ist aber leider nicht zu ändern.

Eine systematische Anwendung dieses Verfahrens auf internationaler Ebene hätte jedenfalls weitreichende Implikationen für Universitäten in allen Ländern:

1. Wer zum Beispiel auf viele Publikationen in Peer-Review-Zeitschriften verweisen kann, egal in welchem Fach, gehört systematisch gefördert. Verwaltungsvorgänge könnten etwa anonym von erfolgreichen Ex-Verwaltern anderer Universitäten evaluiert werden, die Qualität der Lehre nicht nur durch Studierende sondern auch durch Pädagogen mit entsprechender spezifischer Expertise. Wobei Peer-Review-Publikationen der Lehrenden ebenfalls eine nicht unwesentliche Rolle spielen sollten.

2. Die Entwicklung von Peer-Review-Infrastrukturen, die den Epistemologien und Rahmenbedingungen der einzelnen Fächer angepasst sind, müsste sowohl innerhalb der Universität, wie auch auf internationalen Tagungen und in Fachzeitschriften systematisch thematisiert und vorangetrieben werden.

3. Entscheidungsträger, wie zum Beispiel die Mitglieder des Uni-Rats, des Rektorats und des Senats sollen unter anderem nach objektiven, transparenten, wissenschaftlichen Indizien, wie Qualifikationen und Peer-Review-Publikationen, gewählt werden.

4. Die Zweisprachigkeit der Universitäten müsste stärker gefördert werden. Die zwei wichtigsten Wissenschaftssprachen, Deutsch und Englisch, müssten in naher Zukunft auf allen Ebenen (Verwaltung, Lehre, Forschung) etwa den gleichen Status erreichen. Beispielsweise würde das Verfassen englischsprachiger Abschlussarbeiten in allen Fächern zur Zweisprachigkeit des wissenschaftlichen Nachwuchses beitragen. Dass auch Deutsch als Wissenschaftssprache weiterhin beibehalten ist selbstverständlich.

5. Vom Prinzip, dass Uni-Professoren (sh. o.) sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache mehrere Fachartikel in Peer-Review-Zeitschriften publiziert haben sollten, könnten folglich auch künftige Berufungsverfahren ausgehen. Neue Kollegen und Kolleginnen könnten etwa eine vertragliche Verpflichtung eingehen, an solchen Evaluierungsvorgängen teilzunehmen und die daraus entstehenden Vorschläge nach Möglichkeit auch umzusetzen. Evaluierungsvorgänge müssen aber auch möglichst kollegial und demokratisch durchgeführt werden, damit die Motivation der Universitätsmitglieder nicht darunter leidet, sondern eher dadurch verstärkt wird. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.4.2008)