Großkoalitionär bedingt, marschieren Politiker beim Klimaschutz zumeist in verschiedene Richtungen. Umweltminister Pröll (re.) will ein Verfassungsgesetz; Infrastrukturminister Faymann will den Nahverkehr fördern.

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Die Verfehlung der Klimaziele könnte Österreich noch teurer kommen als bisher bekannt.

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Die Verfehlung der Klimaziele könnte Österreich noch teurer kommen als bisher bekannt. In einem Positionspapier für den Klimagipfel heute, Donnerstag, das dem STANDARD vorliegt, rechnen die Sozialpartner mit Kosten für den Zukauf von CO2-Zertifikaten von zwei Milliarden Euro. Zu berücksichtigen sei, "dass die Emissionstrends weiter nach oben weisen und der Finanzierungsbedarf noch größer ausfallen könnte".

Umweltminister Josef Pröll (ÖVP) will noch vor dem Sommer einen Entwurf für das neue Klimaschutzgesetz im Ministerrat vorlegen. In Kraft treten soll es Anfang 2009, sagte er am Mittwoch. Pröll erhofft sich davon nicht nur ein stärkeres Durchgriffsrecht auf die Länder. Zudem will der Minister den Zukauf von "Verschmutzungsrechten" aus dem Ausland um ein Drittel ausweiten

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Wien - "Wir sehen uns allerspätestens am 15. April 2008 zum nächsten Klimagipfel", sprach Alfred Gusenbauer vor einem Jahr. Das Fristversäumnis – man gipfelt erst am heutigen Donnerstag, dem 17. April – ist zwar weit weniger schlimm, aber doch symptomatisch für die Verfehlung der Klimaziele. Beim festlichen Gipfel in der Hofburg wird sich Rot-Schwarz schwertun, ein Scheitern bei der Vermeidung der CO2-Emissionen in Abrede zu stellen.

Daran wird auch der neuerliche Vorstoß von Josef Pröll nichts ändern, der noch für heuer einen Gesetzesentwurf mit Durchgriffsrechten des Umweltministers ankündigte. Die einzelnen Klimasünder beziehungsweise die zuständigen Gebietskörperschaften sollen künftig für die Überschreitung der Emissionsziele geradestehen. Sprich: die Kosten für den erforderlichen Zukauf von Verschmutzungsrechten übernehmen.

Das kann teuer werden. Hatte der Rechnungshof in seinem jüngsten Bericht noch mit Kosten von einer Mrd. Euro gerechnet, schießen die Schätzungen zusehends in die Höhe. Die Sozialpartner befürchten in einem Positionspapier, das dem STANDARD vorliegt, dass sich das Klimaschutzdefizit zu einer finanziellen Belastung von "zwei Mrd. Euro oder 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts" auswachsen wird. "Dabei ist zu berücksichtigen, dass die österreichischen Emissionstrends weiterhin nach oben weisen und der Finanzierungsbedarf daher noch größer ausfallen wird."

Pröll verstärkt angesichts dieser Situation die Zukäufe von CO2-Zertifikaten im Ausland ( siehe Wissen). Dies ist allerdings nicht im Sinn der Vertreter der Sozialpartner. "Vorrang haben wirtschaftlich vernünftige Maßnahmen im Inland gegenüber Zukäufen im Ausland", heißt es in ihren Empfehlungen. Dort wird auch eine Ausgliederung des Klimafonds und die direkte Budgetierung anstatt der Finanzierung über die Ministerien befürwortet. "Derzeit gibt es keine klare Zuordnung der Verantwortung für das Fördermanagement", so die Kritik an der Klimafonds-Konstruktion.

Der Druck zur Einführung eines Klimaschutzgesetzes, das dem Bund mehr Einflussmöglichkeit auf die Länder gibt, kommt nicht zuletzt aus der EU. Im Vertrag von Lissabon, dem der österreichische Nationalrat vergangene Woche zugestimmt hat, gibt sich die Union erstmals schwarz auf weiß die Kompetenz, gegen den Klimawandel vorzugehen. Auf der Basis dieser Rechtsgrundlage werde es "in Zukunft vermehrt zu Vorschriften" für die Mitgliedsstaaten kommen, stellen daher Christoph Grabenwarter und Michael Lang, Autoren des vom Umweltministerium in Auftrag gegebenen "Gutachtens zu den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen auf dem Gebiet des Klimaschutzes", das dem STANDARD vorliegt, fest.

Das föderalistische heimische Rechtswesen sei für eine konsistente Klimaschutzpolitik nicht gewappnet: "Die geltende Kompetenzlage ist zersplittert. Weder der Bund noch die Länder können umfassende Regelungen treffen", diagnostizieren Grabenwarter und Lang.

Wünschenswert sei daher eine "Bündelung von Regelungskompetenzen", wobei Grabenwarter und Lang eine verfassungsrechtliche Bestimmung auf bedarfsgesetzlicher Grundlage den Vorzug geben. Die Frage, ob ein Regelungs-"Bedarf" bestehe, entscheide dann der Bund, der den Ländern zum Beispiel "zeitraumbezogene Höchstmengen von Treibhausgasemissionen oder Mindestanteile erneuerbarer Energieträger" vorschreiben könne. Um dies abzusichern, wäre ein Sanktionsmechanismus möglich, der sich an jenem des Stabilitätpakts 2005 zwischen Bund und Ländern anlehnt.

Nicht optimal findet man bei der Umweltschutzgruppe Global 2000 diesen Vorschlag. Stattdessen schlägt dort die Energiesprecherin Silva Herrmann ein "Bundesverfassungsgesetz nach dem Muster von jenem über den umfassenden Umweltschutz aus 1984" vor, das Bund, Länder und Gemeinden gleichermaßen verpflichte. Ein übergreifendes Gesetz müsse aber "auf alle Fälle her", sagt Herrmann und führt als Beispiel Großbritannien an, wo man seither auf dem "Kioto-Pfad" sei. (Irene Brickner, Johanna Ruzicka, Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.4.2008)