Kriminologe Gratz: Blokckadementalität führt ins „fundamentalistische Absurdistan“.

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Andere Länder, andere Strukturen, weniger Staat, mehr Farbe: Janine McDowell leitet seit 2004 das erste Privatgefängnis Großbritanniens.

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Die aktuelle Diskussion um die geplante Betreuungsagentur im Strafvollzug hat mehrere Facetten und Dimensionen: Einsperren von Menschen soll keine Ware sein, um die sich wie in den USA eine Industrie bildet. Die mit Inhaftierung verbundenen massiven Grundrechteinschränkungen bedürfen strikter rechtsstaatlicher Kontrolle.

Im behandlungsorientierten Strafvollzug ist Sozialarbeitern, Psychologen und Psychiatern bei der Ausgestaltung eine einflussreiche und damit auch im Dienstbetrieb etablierte Rolle einzuräumen. Die Vielfältigkeit und dynamische Entwicklung der Bedürfnisse und Problemlagen der Insassen, aber auch das Ziel einer gewissen Öffnung des Strafvollzuges gegenüber der Zivilgesellschaft legen es nahe, bestimmte Behandlungs- und Betreuungsleistungen von entsprechend kompetenten Organisationen zuzukaufen.

Die Senkung der Zahl der öffentlichen Bediensteten ist ein Feld politischen Wettbewerbs geworden. Dies stimuliert, bei Innovationen im Strafvollzug Betreuungspersonal nicht unmittelbar, sondern über eine dazwischen geschaltete Organisation zu beschäftigen. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn sich die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) intensiv in die Diskussion einbringt und von einem „Paradigmenwechsel“ spricht.

Im Kern geht es aber um die Frage, wie der Straf- und Maßnahmenvollzug leistungsfähiger werden kann. In diesem Zusammenhang gilt es, sich mit einem üblicherweise eher tabuisierten Thema zu befassen – dem erheblichen Einfluss eines Teiles der GÖD in Gestalt der Fraktionen und Gremien der Justizwachegewerkschaft und der eng mit dieser verflochtenen Personalvertretungen (PV). Ironiker behaupten ja angesichts der oft über Jahre währenden Entscheidungsprozesse bei Änderungen in Peronal- und Organistionsfragen , dass zu den drei bewährten Grundsätzen der österreichischen Verwaltung (haben wir schon immer so gemacht, haben wir noch nie so gemacht, da könnte ein jeder kommen) längst schon ein vierter dazugekommen sei: „Das wird die PV nicht wollen.“ Dazu kommt: Personalvertreter bezeichnen sich selbst als Politiker und befassen sich zunehmend in Überschreitung ihres Aufgabenbereichs mit der Ausrichtung des Strafvollzuges.

Zwei Kostproben aus dem Bereich der Christlichen Fraktion: Im Kontext einer nicht allzu lang zurückliegenden Zeit wird von gesundem Rechtsverständnis gesprochen, als es möglich war, einem Verbrecher „bei Wasser und Brot die Möglichkeit zu schaffen, auf seine Irrleitung hinweisen zu können“. Oder: „Das Gefängnis ist und bleibt in erster Linie eine Verwahrungsstelle.“

Solche Zitate finden sich im offiziellen Organ der Kameradschaft der Exekutive Österreichs bzw. auf dem Anschlagbrett in einer Justizanstalt und stammen von einem Funktionär, der auch fraktioneller Schulungsreferent ist. Der zeitgemäße Strafvollzug wird aber auch in sehr konkreter Form beschädigt bzw. verhindert. Die Durchführung von Affektkontrolltraining (AKT), einer in Fachkreisen anerkannten und im deutschen Maßregelvollzug mit Erfolg angewendeten Methode der Persönlichkeitsbildung in einer Justizanstalt, wurde von Christlichen Personalvertretern öffentlich als Kampfsport-Training diffamiert.

Die Vollzugsdirektion bekannte sich zwar zunächst zu AKT als Behandlungsform, stellte dann aber nach Interventionen von sozialdemokratischen Personalvertretern die laufenden Behandlungsgruppen ein. Dass sich dies in der Folge die Christliche Faktion als Erfolg auf ihre Fahnen heftete, mag als Beleg dafür dienen, dass auch im Strafvollzug Tragödie und Farce manchmal nahe beieinander liegen.

In einer anderen Anstalt wurde von einem der KPÖ zugehörigen Personalvertreter – ebenfalls unter Verwendung wahrheitswidriger Behauptungen – der Betrieb eines Call-Centers dermaßen medial skandalisiert, dass die Firma den Vertrag aufkündigte, wodurch 25 Arbeitsplätze verloren gingen – und dies in Zeiten, in denen die Beschäftigung von Insassen immer schwieriger wird.

Die Oberbehörden im Strafvollzug verharren zu all dem aus der Sicht der Mitarbeiter/innen im Strafvollzug in Duldungsstarre. Die Mehrheit der nicht so agierenden Personalvertreter und GÖD-Funktionäre äußert sich nicht öffentlich. Vielleicht gibt es aber auch in der GÖD strategisch orientierte Funktionäre, die bedenken, dass der eingeschlagene Weg ins fundamentalistisch-archaische Absurdistan

Privatisierungsgedanken stimulieren kann. Der Diskurs über die Betreuungsagentur sollte vielmehr ein Anlass sein, die Auseinandersetzung über die Gestaltung des Strafvollzuges wieder auf eine Ebene zu heben, die eines demokratischen Rechtsstaates, aber auch einer modernen Verwaltungsführung würdig ist. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.4.2008)