Überall Bakterien, und meine Kinder mittendrin!" Die Werbung für den probiotischen Joghurtdrink Actimel kommt direkt im limbischen System des Gehirn an, dort, wo Gefühle wie Angst entstehen. Genau dorthin zielen auch die Befürworter von einem Ausbau der staatlichen Überwachungsmethoden. Nur dass hier eben nicht der Inhalt von Plastikflascherln, sondern digitale Rekorder und Datenbanken die Hauptrollen spielen. Aber in beiden Beispielen geht es um die "Mobilisierung von Abwehrkräften".

In beiden Fällen sind keine negativen Folgen nachgewiesen. Actimel hat sich die positive Wirkung von probiotischen Kulturen auf die Darmflora sogar vom Gesundheitsministerium amtlich bestätigen lassen. Das Innenministerium betreibt regelmäßig "Actimelisierung", indem es immer wieder auf (zu erwartende) Erfolge einer großflächigen Kontrolle der Bevölkerung hinweist. Quasi also auch amtlich bestätigt. Ohne Kamera und Co hätten uns Kriminalität und Terrorismus schon halb verdaut, lautet der Warnhinweis der Sicherheitsbehörden.

Für das neue Rezept "Flächendeckende Erfassung aller Fahrzeuge auf der Autobahn", an dem nicht nur das Innenministerium sondern auch das Verkehrsressort und das Bundeskanzleramt mitmischen, wurde freilich noch keine Werbetrommel gerührt. Nur wer sich im Detail mit der Gesamtwirkung von Sicherheitspolizeigesetz und den geplanten Novellen von Straßenverkehrsordnung und Datenschutzgesetz befasst, kann die Folgen der Dosis überhaupt erkennen. Und das legt den Verdacht nahe, dass hier bewusst versucht wurde, Österreich eine bittere Pille unterzujubeln.

Sollte das neue Allheilmittel wie geplant noch vor dem Sommer zugelassen werden, müsste im Beipacktext die Kontraindikation in Bezug auf Freiheitsrechte dick unterstrichen werden. (Michael Simoner, DER STANDARD - Printausgabe, 18. April 2008)