Wien - Nach der Affaire rund um Bespitzelung von Mitarbeitern in deutschen Filialen gerät Lidl nun auch in Österreich ins Kreuzfeuer der Kritik. Grund sind offenbar markante Unregelmäßigkeiten bei der Arbeitszeiterfassung: Mitarbeiter des Diskonters würden dazu genötigt, mehr zu arbeiten, als sie bezahlt bekommen, berichtete das ORF-Fernsehen am Freitag, und beruft sich auf die Aussagen einer früheren Lidl-Mitarbeiterin. Schriftlich erfasst dürften demnach maximal zehn Stunden täglich werden, gearbeitet werde aber meist elf bis zwölf Stunden. Wer die Unterschrift auf den Stundenerfassungsblättern verweigere, riskiere den Job.

Diese Praxis sei in allen Lidl-Märkten gängig. Filialleiter würden dazu von der Unternehmensführung angehalten. Unterm Strich werde für 1300 bis 1600 Euro brutto monatlich 60 bis 70 Stunden die Woche gearbeitet.

Konzern weist Kritik zurück

Lidl-Österreich-Chef Hanno Rieger weist das im STANDARD-Gespräch zurück. "Fehler können passieren, aber ich schließe aus, dass das eine gelebte oder gewollte Praxis ist." Die Richtlinie des Konzerns sei, "jede Minute Arbeit zu bezahlen", jeder Mitarbeiter müsse die Richtigkeit der erfassten Stunden überprüfen und bestätigen. Lidl bezahle zudem rund 20 Prozent über dem Kollektivvertrag.

Die Gewerkschaft hat nun ein Hotline eingerichtet, an die sich Lidl-Beschäftigte wenden können. Das Unternehmen sei jedenfalls kein Einzelfall, heißt es dort. Im Handel würde ein Drittel der Überstunden nicht bezahlt. Den Mitarbeitern gingen damit 200 Mio. Euro jährlich verloren, die Branche büße an Ansehen ein. (vk, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19./20.4.2008)