Belgrad - Knapp drei Wochen vor der Parlamentswahl in Serbien scheint ein Comeback der nationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS) an die Macht realer als je zuvor in den vergangenen acht Jahren. Eine etwaige Koalition der SRS mit der derzeit regierenden demokratischen Partei Serbiens (DSS) des nationalkonservativen Premiers Vojislav Kostunica sei "auf dem Tisch", meint auch der Belgrader Politologe Zoran Stojiljkovic. Die zwei Parteien vertreten seit einiger Zeit identische Standpunkte zum Kosovo, der im Februar einseitig seine Unabhängigkeit ausrief.

Heftiger Widerstand gegen EU-Abkommen

In den vergangenen Wochen verbindet die beiden Parteien auch ein energischer Widerstand gegen die von den prowestlichen Parteien angestrebte Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (SAA) mit der Europäischen Union. Ähnlich wie Kostunica verknüpft der amtierende SRS-Chef und Haager Angeklagte Tomislav Nikolic die Zusammenarbeit Belgrads mit der EU mit der Anerkennung der territorialen Integrität Serbiens durch Brüssel - was auch den Kosovo einbeziehen würde. Serbien sei bereit, mit der EU zusammenzuarbeiten, sobald diese "winzige Voraussetzung" erfüllt sei, erläutert Nikolic unermüdlich seinen Widerstand gegen das Annäherungsabkommen. In den Augen von SRS und DSS würde mit dem "Abkommen Solanas" der Kosovo als unabhängig anerkannt.

Wenig Chance auf Langfristigkeit

Dass die Radikalen und die DSS eine langfristig stabile Regierung bilden könnten, glaubt Stojiljkovic allerdings nicht. Im Unterschied zur DSS sei die SRS - abgesehen von ihren nationalistischen Groß-Serbien-Ideen, die im Wahlkampf kaum Erwähnung finden - eine stark linksorientierte Partei. Ihr Wahlprogramm konzentriert sich nicht nur auf den Kampf gegen die Korruption und die Organisierte Kriminalität. Es soll beim "kleinen Mann" auch Erinnerungen an das "Idyll der Kommunisten-Ära" - Arbeitsplätze für alle und ein unentgeltliches Bildungswesen - wachrufen.

Die SRS und die Demokratische Partei (DS) von Staatschefs Boris Tadic führen zur Zeit noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Dabei wird vor allem um die Gunst jener 16 Prozent der Wähler gerungen, die noch unentschlossen sind. Wie die künftige Regierung wirklich aussehen wird, wagen nicht einmal Meinungsforscher zu prognostizieren. Er könne mit Gewissheit nur sagen, welche Regierungskoalition undenkbar sei, meinte Marko Blagojevic vom Zentrum für Freie Wahlen und Demokratie (CESID) gegenüber der Belgrader Tageszeitung "Blic".

Große Koalition "völlig ausgeschlossen"

Für völlig ausgeschlossen hält er eine Koalition der zwei größten Parteien im Lande (SRS und DS) und ein Regierungsbündnis zwischen DSS und der Liberaldemokratischen Partei (LDP) des ehemaligen Vizepremiers Cedomir Jovanovic. Auch eine SRS-LDP-Koalition scheint undenkbar. Beobachter schließen auch die Möglichkeit nicht aus, dass Kostunica in einer Regierungskoalition mit der wesentlich größeren SRS erneut das Amt des Ministerpräsidenten übernimmt. Sie führen dies vor allem auf die "große Frustration der Ultranationalisten" zurück, die - obwohl stärkste politische Kraft im Lande - seit Jahren vergeblich in die Regierung drängen.

(APA)