Wien - Wie groß der Kuchen ist, ist bekannt: um 2,7 Mrd. Euro sollen die Steuern im Jahr 2010 sinken. Wie die Kuchenstücke verteilt werden, darüber berät ab Montag die Steuerreformkommission der Regierung. Die Arbeiterkammer befürchtet aber schon jetzt, dass die versprochene Entlastung des Mittelstandes spätestens 2013 wieder verpufft sein wird. "In drei Jahren haben wir wieder die selben Lohnsteuerquoten wie vorher", warnt AK-Steuerexperte Otto Farny im Gespräch mit der APA. Schuld sei die "kalte Progression".

Deutlich wird das Problem am Beispiel der schwarz-blauen Steuerreform 2005. Damals senkte die Regierung die Lohnsteuer um 1,13 Mrd. Euro. Tatsächlich hielt die Entlastung der Arbeitnehmer aber nur drei Jahre, wie Farny vorrechnet: Die Lohnsteuerquote (der Anteil der Steuern an den Löhnen) ging zwar um einen halben Prozentpunkt auf 14,4 Prozent zurück, stieg aber schon 2006 und 2007 wieder deutlich an. Heuer wird der Anteil der Steuern an den Löhnen laut Farnys Schätzung bereits 15,2 Prozent erreichen und damit schon wieder über dem Wert von 2003 liegen.

Schuld an dieser Entwicklung ist die "kalte Progression", also die Tatsache, dass die Steuertarife nicht an die Inflation angepasst werden. Das führt dazu, dass jedes Jahr immer mehr Arbeitnehmer in höhere Steuerklassen rutschen, die ursprünglich nicht für sie vorgesehen waren. Sie bezahlen damit höhere Steuern, auch wenn ihr reales Einkommen (also ihre Kaufkraft) gar nicht ansteigt.

Im Vorjahr kostete die kalte Progression die Arbeitnehmer laut einer AK-Berechnung 1,1 Mrd. Euro. Im Steuerreform-Jahr 2010 wird sie laut Farny bereits 1,8 Mrd. Euro ausmachen. Bei einer Lohnsteuersenkung müsste dieser Betrag also ausgeglichen werden - erst darüber hinaus könne von einer tatsächlichen Entlastung gesprochen werden. ÖGB und Arbeiterkammer fordern daher die jährliche Valorisierung der Steuertarife, um die Belastung durch die kalte Progression auszuschalten, sowie ein größeres Entlastungsvolumen von 3,5 Mrd. Euro.

Erstes Zusammentreffen

Die Steuerreformkommission trat am Montag erstmals zusammen. Den Vorsitz führen Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) und Staatssekretär Christoph Matznetter (SPÖ). Die ÖVP hat Böhler-Uddeholm-Chef Claus Raidl als Berater in die Kommission nominiert, die SPÖ Ex-Finanzminister Ferdinand Lacina. Außerdem gehören der achtköpfigen Gruppe die Wirtschaftsforscher Karl Aiginger (Wifo) und Bernhard Felderer (IHS) sowie die Spitzenbeamten Peter Quantschnigg und Wolfgang Nolz vom Finanzministerium an. Das Ergebnis soll bis Oktober vorliegen.

Die Regierungspläne für die Steuerreform sind auch innerhalb der Gruppe nicht unumstritten. So haben sich Lacina und Felderer für ein deutlich höheres Entlastungsvolumen ausgesprochen, die geplante Vermögenszuwachssteuer lehnt der IHS-Chef ab. Aiginger plädierte zuletzt überhaupt für eine größere Reform der Steuerstrukturen inklusive teilweiser Gegenfinanzierung. Auch Fans des von Teilen der ÖVP forcierten Familiensplittings gibt es in der Arbeitsgruppe kaum: Bisher hat sich nur Molterer dafür ausgesprochen, die SPÖ lehnt es explizit ab.

Fünf Arbeitsschwerpunkte für Kommission

Die Kommission hat bei ihrer ersten Sitzung ihre Arbeitsschwerpunkte festgelegt und die Sozialpartner eingeladen, beim nächsten Termin ihre Steuervorstellungen zu präsentieren. Dadurch will sich die Kommission möglichst früh ein Bild von den Anliegen der Wirtschaft und der Arbeitnehmer machen, heißt es in einer gemeinsamen Aussendung von Molterer und Matznetter.

Insgesamt hat sich die Kommission fünf Arbeitsschwerpunkte vorgenommen: Die Tarifreform, die steuerliche Entlastung von Familien mit Kindern, das Thema Standortsicherung/Unternehmensbesteuerung, die Vereinfachung des Steuerrechts und die Mitarbeiterbeteiligung. Inhaltlich zeigten sich Molterer und Matznetter verschlossen, nur so viel: "Die Arbeiten an der Steuerentlastung 2010 haben sehr konstruktiv begonnen." (APA)