Happy Birthday. Wilhelm Molterer ist seit genau einem Jahr ÖVP-Chef. Hat sich die Partei seit dem 21. April 2007 dramatisch verändert? Wohl kaum. Mit Molterer ist zwar ein neuer Stil in der ÖVP eingekehrt. Er lässt Diskussionen und unterschiedliche Standpunkte zu. Ein neuer Kurs, den sich so mancher Schwarze erwartet hatte, wurde aber nicht eingeschlagen. Molterer setzt das fort, was sein Vorgänger Wolfgang Schüssel eingeleitet hat.

Sieht man sich seine Umfragewerte im Vergleich zu Bundeskanzler Alfred Gusenbauer an, könnte man sogar meinen, dieser Kurs wird auch gutgeheißen. Die ÖVP liegt in der Sonntagsfrage konstant vor der SPÖ, Molterer in der Kanzlerfrage stets vor Gusenbauer. Diese Daten sind aber mit Vorsicht zu genießen. Sie zeigen nicht die Stärke der ÖVP oder Molterers, sondern die Schwäche von Gusenbauers SPÖ in den letzten Monaten. Der Kanzler hat keinen Fettnapf ausgelassen und wurde von Parteikollegen durch öffentliche Kritik schwer beschädigt.

Im Fußball heißt es, man spielt immer so gut, wie es der Gegner zulässt. Ist also der Gegner schwach, muss man selber nicht glänzen, um trotzdem zu gewinnen. Die Regierung befindet sich aber noch nicht einmal in der Halbzeitpause. Molterer führt zwar, sein Sieg ist aber noch lange keine ausgemachte Sache. Er ist zwar derzeit parteiintern unumstritten, fängt sich die SPÖ, kann sich das allerdings schnell ändern.

Und ein Charismatiker, der allein durch seine Erscheinung punktet, ist Molterer gewiss nicht. Das weiß der Vizekanzler auch selbst. Nicht umsonst hat es mehrere Monate gedauert, bis er erstmal öffentlich aussprach, er werde als Spitzenkandidat in die nächste Wahl gehen.

Er steht nicht für Herzlichkeit

Wilhelm Molterer steht für Sachlichkeit, wirkt ein bissl spröde, was sich in seiner übertrieben kontrollierten Mimik und Gestik widerspiegelt. Er steht aber nicht für Herzlichkeit oder Wärme. Bei einer im April durchgeführte Umfrage des öVP-nahen Instituts Fessel lag Molterer im Imagevergleich mit Gusenbauer bei fast allen Indikatoren vorne. Nur bei einem nicht. Beim Punkt "Versteht die Sorgen der Menschen".

Nur mit den eigenen Stärken ist das Match also nicht zu gewinnen. Der zuletzt ausgerufene Koalitionssfriede wird deshalb nur ein temporärer sein. Die nächsten Angriffe auf den Kanzler sind programmiert. Nur ein beschädigter Gusenbauer sorgt für einen starken Molterer.

Und der ÖVP-Chef wird vor allem versuchen, mit konservativer Politik zu punkten. Bekanntlich gab es bei Nationalratswahlen stets eine Mehrheit rechts der Mitte. Einen allzu starken Schwenk in Richtung gesellschaftspolitischen Liberalismus, auf den im Vorjahr noch einiges hingedeutet hatte, wird es deshalb nicht geben. Das Wort "Homosexualität" löst bei vielen in der ÖVP noch immer Unbehagen aus.

Eingetragene Partnerschaft? Na gut, aber bitte nicht vor dem Standesamt, lautet daher die Devise des ÖVP-Chefs. Es dürfe "keine Nahtstelle" zur Ehe geben. Wo kämen wir denn da hin?

Es geht um ein Signal

Ähnlich verhält es sich mit der Schul-, Ausländer-, Sicherheits- oder Familienpolitik, wo auch gilt: Nur nicht zu stark vom Kurs der letzten Jahre abweichen. Dass ein steuerliches Familiensplitting für die Frauenerwerbsquote nicht gerade förderlich wäre, befürchten aber nicht nur links-linke Emanzen, sondern auch die öVP-Frauen oder der Wirtschaftsbund. Molterer hält trotzdem daran fest. Es darf unterstellt werden: Es geht um ein Signal. Liebe konservative Wähler! Ihr müsst nicht zur FPÖ gehen, auch wir setzen uns für euch ein.

Die FPÖ von Heinz-Christian Strache, die in den Umfragen bereits wieder um oder über 15 Prozent liegt, könnte in der Tat das größte Problem der ÖVP werden. Sie hält nichts von Frauenquoten, Homo-Gleichstellung oder Zuwanderung - wie auch so mancher ÖVP-Wähler.

Daher ist zu befürchten: Es ist für Molterer wichtiger, das Abwandern von Wählern zu verhindern, als die Modernisierung weiter voranzutreiben. (Günther Oswald/DER STANDARD, Printausgabe, 21.4.2008)