Wien – Grenzen mit starren Posten und klaren Grenzlinien gehören innerhalb der EU der Vergangenheit an. Die Union setzt seit einigen Jahren vermehrt auf mobile Kontrollen: In Deutschland zum Beispiel bis zu 30 Kilometer vor der Grenze, in Österreich sind sie ohne Einschränkung im ganzen Staatsgebiet möglich.
Die Zunahme der Kontrollen nach innen ist ebenso Werk der EU-Grenzschutzagentur Frontex wie deren Ausweitung nach Außen. Dort entfaltet sie ihre Tätigkeit vor allem auf dem Meer.
Gründung und Aufgaben
Frontex, (französisch für frontières extérieures) ist die "Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen". Sie nahm im Mai 2005 die Arbeit auf, im September 2007 wurde das Hauptquartier in Warschau bezogen.
Die Aufgaben der Grenzschutzagentur sind vielseitig: sie führt Studien über die Einwanderung in dei Union durch, koordiniert die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, organisiert gemeinsame Abschiebungen oder kontrolliert den Bootsverkehr an der Küsten Westafrikas.
Struktur
Oberstes Gremium der Grenzschutzagentur ist der Verwaltungsrat. Er setzt sich aus zwei Vertretern der EU-Kommission und jeweils einem Vertreter der EU-Mitgliedstaaten (meist hohe Beamten der nationalen Grenzpolizeien) sowie der Schengen-assoziierten Länder zusammen.
Auf Empfehlung der EU-Kommission ernennt der Verwaltungsrat den Exekutivdirektor und seinen Stellvertreter. Beide haben eine Amtszeit von fünf Jahren und können einmal für drei Jahre wieder gewählt werden.
Der Haushalt der Agentur besteht aus Zuschüssen der EU, aus Beiträgen der Schengen-Staaten sowie aus Gebühren für Dienstleistungen und freiwilligen Beiträgen. Für 2008 wurden die finanziellen Mittel um 30 Millionen Euro aufgestockt, das Budget beträgt heuer insgesamt 70 Millionen Euro.
Risikoanalyse und Unterstützungsteams
Frontex erstellt ein „gemeinsames integriertes Risikoanalysemodell“ (CIRAM)und erkundet gemeinsam mit Wissenschaftern und Rüstungsunternehmen, wie Grenzschutzmaßnahmen ausgebaut werden können. Dazu zählen: Vernetzung nationaler Uberwachungstechnologien, biometrische Grenzsicherungstechnologien, Überwachungsmöglichkeiten von Küsten und Häfen und der Einsatz von Drohnen, den unbemannten Luftfahrzeugen.
Für die Operationen selbst stützt sich die EU-Agentur neben ihrer Zentrale in Warschau auf die "Gemeinsamen Unterstützungsteams, die „FJST“ (Frontex Joint Support Teams). Dieses personelle Rückgrat der Grenzschutzabteilung besteht aus einem Pool von Experten der nationalen Grenzschutzbehörden. Sie sind an der Vorbereitung von Einsätzen, Pilotprogrammen und Ausbildungsmaßnahmen beteiligt.
Seit 11. Juli 2007 zählt zu Frontex auch ein Pool eines speziell ausgebildeten Grenzschutzpersonal („RABIT“, Rapid Border Intervention Team). Es soll in „Krisensituationen“, zum Beispiel bei einem massiven Anstieg von Einreisenden, besonders schnell zum Einsatz kommen.
Operationen
2006 hat Frontex insgesamt 15 gemeinsame Operationen durchgeführt. Dazu zählt zum Beispiel die Überwachungsaktion "Hera II" von August bis Dezember vor Senegal und Mauretanien. 57 Boote mit rund 3.887 Migranten wurden dabei abgefangen und zurückgeschickt. Im Zuge von "Hydra" kontrollierten im April und Mai beispielsweise elf Grenzschutzbeamte auf 22 europäischen Flughäfen Reisende aus China. 291 Chinesen wurden als „illegal“ eingestuft.
Zukunft
Frontex hat auf Flughäfen zu einer völlig neuen Entwicklung geführt: EU-Beamte tragen die Uniformen ihres Landes, haben aber an ihrem Einsatzort durchaus exekutive Befugnisse. So kann zum Beispiel ein Grenzbeamter aus Frankreich in Wien Passagiere festhalten und befragen.
In Zukunft wird Frontex ihre Befugnisse als eigenständige Grenzschutzagentur weiter ausbauen. Nicht nur die 2006 veröffentlichte Studie "Medsea" weist in diese Richtung: sie schlägt eine gemeinsame Überwachung der südlichen Meeresgrenzen vor. Daneben vernetzen sich Grenzpolizeischulen, Lehrpläne werden angeglichen. Die einzelnen Mitgliedsstaaten vereinheitlichen zudem ihre Grenzschutzstandards. (hag/derStandard.at, 29.4.2008)