Tiefenpsychologisch betrachtet könnte man die herausragendsten schauspielerischen Leistungen von Karlheinz Böhm auf drei Aspekte zurückführen: die übergroße Dominanz der Vaterfigur, seine von Einsamkeit geprägte Kindheit und auf falsche Klischeebilder und Rollenverständnisse der kleinbürgerlichen Erwartungshaltung der traditionalistisch geprägten deutschsprachigen Öffentlichkeit.

Die Biographie „Mein Leben“ beschreibt die Entwicklung eines Suchenden. Heimatlos wächst er in Darmstadt, Dresden, Kufstein, bei seiner Großmutter und in einem Schweizer Internat auf. In Graz, während des Studiums der Germanistik und Anglistik, reift er zum Schauspieler heran. Mit den „Sissi“-Filmen in der Rolle des Kaiser Franz Josef wird er bekannt und beliebt. Wie sein weibliches Pendant leidet er lange an der öffentlichen Identifikation mit dieser von falschem Pathos und Kitsch geprägten Rolle. Er zerbricht beinahe daran und kämpft, wie Romy Schneider, mit konträren Rollen gegen das Klischee, in das er von der öffentlichen Kritik gedrängt wird. Bezeichnend sind der misslungene Versuch in Hollywood Fuß zu fassen, seine Rückkehr zum Theater sowie eine vier Filme und zwei Theaterproduktionen umfassende provokative Kollaboration mit Rainer Werner Fassbinder, beispielsweise die sexuell aufgeladene Darstellung eines Homosexuellen, oder subversive Rollen wie der skandalträchtige „Peeping Tom“. Böhms beste Rollen.

Die Monographie dokumentiert den hinterfragenden Entwicklungs-, Selbstfindungsprozess eines Zerrissenen – decouvriert den jungen Star, der zum depressiven, in sich gekehrten, in seinen drei gescheiterten Ehen, auch in seiner eigenen Vaterrolle scheiternden Menschen mutiert. Nach einer Reise in die Sahelzone ruft Böhm 1981 intuitiv, ohne sich selbst der, auch persönlichen, Tragweite bewusst zu sein, das Millionenpublikum der Fernsehsendung „Wetten dass?“ auf, Geld für die leidendeBevölkerung Äthiopiens zu spenden, mit der Versicherung, sich selbst im Kampf gegen Hunger, Krankheit, Armut und Ungerechtigkeit zu engagieren. Der Rest ist Geschichte - die der humanitären Hilfsorganisation „Menschen für Menschen“ und des Menschen, der dahinter steht.

Das ZDF bringt heute um 20.15 Uhr die Spendengala „Alles Gute Karlheinz Böhm – Ein Leben für Afrika“. Gratulanten wie der deutsche Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Weggefährten und Schauspielkollegen wie Bully Herbig, Hardy Krüger jr., Ann-Kathrin Kramer et alii werden zu Wort kommen, um Spenden zu sammeln. (Gregor Auenhammer, DER STANDARD; Printausgabe, 23.4.2008)