Wien - Der in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene börsenotierte IT-Dienstleister Brain Force, für den auch ein Übernahmeangebot vorliegt, will sich künftig notfalls auch nur von einem Vorstandsmitglied oder zwei Prokuristen vertreten lassen. Die diesbezüglichen Änderungen der Satzung sollen am kommenden Mittwoch auf der ordentlichen Hauptversammlung beschlossen werden, geht aus der im Amtsblatt der Wiener Zeitung veröffentlichten Ergänzung der Einladung zu dieser HV hervor.

Der dritte Absatz des § 6 der Satzung "Zusammensetzung, Vertretung und Geschäftsführung" soll künftig so lauten: "Die Gesellschaft wird durch den Vorstand vertreten. Ist nur ein Vorstandsmitglied bestellt, vertritt dieses die Gesellschaft selbstständig. Sind zwei oder mehrere Vorstandsmitglieder bestellt, sind zur Abgabe von Willenserklärungen und zur Zeichnung der Gesellschaft zwei Mitglieder des Vorstandes gemeinsam oder ein Mitglied des Vorstandes gemeinsam mit einem Prokuristen befugt. Nach Maßgabe des Gesetzes sind zur Vertretung der Gesellschaft auch zwei Prokuristen gemeinsam befugt."

Weiters soll der Aufsichtsrat dazu berechtigt werden, einem oder mehreren Vorstandsmitgliedern auch Einzelvertretungsbefugnis zu erteilen. Ersatzlos gestrichen werden soll die Bestimmung, wonach bisher der im Übernahmegesetz (ÜbG) vorgesehene Preisabschlag bei Pflichtangeboten ausgeschlossen wurde.

Turbulentes Jahr

Brain Force hat ein turbulentes Jahr hinter sich - hohe Verluste, millionenschwere Abwertungen und Gerichtsstreitigkeiten zwischen dem alten und dem neuen Management. Obendrein liegt derzeit ein Übernahmeangebot einer Investorengruppe rund um Stefan Pierer auf dem Tisch. Das Pflichtangebot seiner Beteiligungsgesellschaften UIAG und Cross Industries stößt vorerst nur auf geringes Interesse. Nach Ablauf der ersten Annahmefrist halten die beiden Gesellschaften zusammen mit dem Softwareunternehmen Beko, mit dem sie einen Stimmbindungsvertrag geschlossen haben, 34,16 Prozent der Anteile. Vor dem Pflichtangebot waren es 30,18 Prozent. Seit diesem Dienstag läuft die gesetzliche Nachfrist von drei Monaten. Sie endet am 22. Juli 2008. UIAG und Cross haben ausdrücklich erklärt, dass sie keine Komplettübernahme anpeilen. Die Gesellschaft wolle "lediglich die Mehrheit" erlangen.

Brain Force rutschte 2007 tief in die Verlustzone - das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) drehte von plus 2,9 auf minus 16,7 Mio. Euro. Der Aufsichtsrat zog die Notbremse, nach Diskrepanz zwischen veröffentlichten Quartalszahlen und nachträglichen Ergänzungen berief er Unternehmensgründer Helmut Fleischmann als Vorstand und langjährigen Chef des Unternehmens über Nacht einstimmig mit sofortiger Wirkung ab. Ihm folgte der Brain-Force-Aufsichtsrat und ehemalige IBM-Österreich-Generaldirektor Günter Pridt nach. Diesem wurde ab 1. April 2008 der frühere Wienerberger-Sprecher Thomas Melzer als neuer Finanzvorstand zur Seite gestellt.

Die Managementfehler der Vergangenheit und das Sesselrücken an der Unternehmensspitze haben auch ein gerichtliches Nachspiel, das sich noch mindestens zwei Jahre hinziehen dürfte. Ex-Chef Fleischmann klagt auf Wiedereinstellung, die Gesellschaft wiederum klagt auf Schadenersatz.

Fleischmann vermutet, dass das jetzige Management und der Bieter unter einer Decke stecken. Deshalb hat er im Zusammenhang mit dem Pflichtangebot, das ab Überschreiten einer Beteiligung von 30 Prozent fällig ist, eine Sonderprüfung beantragt - zum einen erscheint ihm der Übernahmepreis in Höhe von 2,4 Euro je Aktie zu gering, zum anderen soll untersucht werden, ob es unerlaubte Kontakte zwischen dem Vorstand und dem Bieter gibt. (APA)