Grünen-Chef Alexander Van der Bellen mag es offenbar antizyklisch: Just in dem Moment, in dem ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer die Privatisierung der Bahn ankündigt und sein Parteikollege Günter Platter Homo-Paaren das Feiern verbieten will, zettelt er eine Debatte über mögliche Koalitionen auf Bundesebene an - wobei er mehr Übereinstimmungen in Sachfragen mit der ÖVP als mit der SPÖ sieht.

Wohlmeinende könnten sagen: Ja, das ist ihm halt passiert - wieder einmal: Erst im März, kurz vor der Niederösterreich-Wahl, wollte er doch plötzlich "graduelle Unterschiede" zwischen FPÖ und BZÖ erkennen. Grün-Orange Annäherung? Ein Missverständnis. Selbstverständlich.

In der eigenen Partei reagiert man irritiert. Warum Van der Bellen den Schwarzen jetzt schmeichelt, weiß wohl nur er. Strategisch geplant scheint das nicht gewesen zu sein. Die nächste Bundeswahl steht ja (noch) nicht an. Und wo sind die Übereinstimmungen? Bei der Integration ebenso wenig wie bei der Homo-Ehe. In der Frage der Studiengebühren? Kaum. Kommende Woche reden die Grünen auf ihrem Bundeskongress über Verteilungsgerechtigkeit. Angesichts der Aussagen ihres Chefs erstaunt es wenig, dass aus dem dazugehörigen Leitantrag ein Geheimnis gemacht wird.

Überschneidungen in all diesen Fragen gibt es mit der SPÖ. Freilich: Gerade deshalb könnte sich die Öko-Partei in einer Koalition mit der ÖVP besser positionieren. Die Parteispitze denkt nur mehr pragmatisch. Was der grüne Europaabgeordnete Johannes Voggenhuber über die Niederösterreich-Wahl sagte, gilt offenbar auch für den Bund:"Marketing wird mit Politik verwechselt." (DER STANDARD, Printausgabe, 26.4.2008)