Grafik: STANDARD
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"Nahrungsmittel sind der Megatrend für die nächsten Jahre", davon gehe er schon seit Jahren aus, sagt der Münchner Investor Andreas Grünwald im Gespräch mit dem Standard. Er und der von ihm vor 19 Jahren gegründete Vermögensberater Münchner Investment Club (MIC) investieren seit einiger Zeit in Rohstoffe - und auch in Unternehmen, die etwa Düngemittel produzieren, Fleisch verarbeiten oder sich mit Wasseraufbereitung befassen. Mit "den Zockern" habe er aber nichts am Hut, betonte Grünwald, seine Mitglieder seien "langfristige Investoren". Er sei im Übrigen durchaus dafür, dass "die Bauern für ihre Produkte bekommen, was sie verdienen". Nicht zuletzt deswegen müssten sich die Menschen in der westlichen Welt darauf einstellen, dass die Lebensmittelpreise in einer langfristigen Perspektive hoch bleiben - auch wenn derzeit manche Lebensmittelpreise wieder fallen.

Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon war am Freitag zu Besuch in Wien (siehe Artikel) und warnte dabei in einer Pressekonferenz vor den Folgen einer "globalen Krise". "Wir müssen umgehend Maßnahmen ergreifen", sagte er.

"Das war noch gar nichts"

Für professionelle Rohstoffhändler ist die Sache klar: "Das war noch gar nichts", heißt es. Die Spekulation mit den "boomenden" Rohstoffmärkten löst seit Beginn der Hausse im Herbst des Vorjahres Kritik aus. Für den deutschen sozialdemokratischen Europa-Abgeordneten Martin Schulz hat "der Kasino-Kapitalismus am Tisch der Armen Platz genommen". Es sei "schockierend, dass Leute jetzt auf Erhöhungen von Nahrungsmittelpreisen spekulieren. Das Ergebnis ist, dass es jetzt einen Anreiz für Spekulanten gibt, um Nahrungsknappheit zu schaffen. Unmoral, auf die Spitze getrieben."

Besonders unmoralisch treiben es offenbar nicht schurkische Rogue Trader, sondern Staatsfonds. Laut Analysten seien sie es gewesen, die jetzt stark in den Rohstoffmarkt investiert hätten. Diese haben auch die Mittel, um etwas zu bewegen. Interessanterweise sind es gerade diese Fonds aus China oder den Golfstaaten, die, aus hohen Einnahmen von Ölverkäufen und anderen Rohstoffen gut genährt, in Commoditys wieder hineinvestieren und so weitere Strohfeuer auf den Märkten anfachen. Wirtschaftsforscher weisen weiters darauf hin, dass für jenes Kapital, das aus den Immobilienmärkten geflüchtet ist, neue Anlegemöglichkeiten gesucht werden.

Trotz aller Aufregung um Spekulation in Grundnahrungsmittel sei zu beachten, dass die steigenden Preise vor allem durch steigende Nachfrage zustande kommen und dass Finanzjongleure dem Trend eher folgen, als ihn auslösen. Vor allem das anhaltend starke Wirtschaftswachstum in China - 10,6 Prozent heuer im ersten Quartal, 11,1 Prozent im Vorjahr - sei die "mit Abstand stärkste Antriebsfeder" auf den Rohstoffmärkten, analysiert Barclays Capital.

Rekordernten erwartet

Entwarnung gibt es auch seitens Händlern der unverdächtigen Sorte, was den Weizenmarkt betrifft: "Die Weizenpreise sinken wieder", sagt Ernst Gauhs, Bereichsleiter für den Getreidehandel bei der Raiffeisen Ware Austria AG, im Gespräch mit dem STANDARD, "denn es gibt einen Ausblick auf Rekordernten 2008." Er sei kein Reisspezialist, aber er nehme an, dass es ähnliche Entwicklungen auch bei anderen Nahrungsmitteln geben werde. "Sobald der Markt an die Forecasts glaubt, gehen die Preise wieder nach unten, auch die Futures (Termingeschäfte, die auf Preisentwicklungen spekulieren, Anm.)", so Gauhs. Zur Annahme, Spekulation könne hohe Weltmarktpreise schaffen, sagt er: "Spekulanten können keine Preistrends schaffen, sie können ihnen nur folgen. Wenn es eine Rekordernte gibt, könnten diese Personen die Preise nie dazu bringen zu steigen. Spekulanten wollen Geld scheffeln, und das kann man mit sinkenden Preisen genauso wie mit steigenden."

Unter Beschuss geriet zuletzt wieder einmal die EU und ihre jahrzehntelang verfolgte Politik der immensen Agrarsubventionen. Exporte wurden dabei subventioniert, um jene Produkte, die in der EU nicht abgesetzt werden konnten, in Dritte-Welt-Länder zu verschachern. Anfang der 90er-Jahre wurden Exporte von Fleisch, Zucker, Getreide aus der EU in Summe noch mit zehn Mrd. Euro im Jahr gefördert. Mittlerweile gibt es für Getreide, Reis und Milchprodukte keine Exporterstattungen mehr, gefördert werden - in sinkendem Ausmaß - die Ausfuhr von Fleisch sowie Wein, Zucker, Eier und Gemüse. Im Zuge der Doha-Verhandlungen habe die EU zugesagt, ab 2013 die Exportsubventionen vollständig abzuschaffen, heißt es nun seitens der Kommission. (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26./27.4.2008)