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Soldaten flüchten nach der Schießerei von Ort des Geschehens.

Foto: AP/Musadeq Sadeq
Kabul - Der afghanische Staatschef Hamid Karzai ist am Sonntag knapp einem schweren Granaten-Angriff in Kabul entkommen. Während des Aufmarschs von rund 3.000 Soldaten zu einer Militärparade in der Hauptstadt explodierten mehrere Sprengsätze, 15 Minuten lang fielen unaufhörlich Schüsse, berichteten Augenzeugen.

Gesundheitsminister Mohammed Amin Fatimie schilderte, wie ein Sprengsatz direkt vor Karzais Tribüne explodierte. Der Präsident wurde von seinen Leibwächtern in Sicherheit gebracht. Drei Menschen starben nach Angaben des Ministers, rund ein Dutzend weitere wurden verletzt. Die radikalislamischen Taliban bekannten sich zu dem Anschlag.

Die Parade fand anlässlich des 16. Jahrestages des Sieges der Mujaheddin über die sowjetischen Besatzer statt. Tausende Soldaten waren dazu aufmarschiert. Der Angriff auf die größte afghanische Militärparade des Jahres begann, als Karzai auf einer Tribüne Platz nahm und 21 Salutschüsse abgefeuert wurden. Im Moment des Angriffs warfen sich Mitglieder der afghanischen Regierung, ausländische Diplomaten und Armeeangehörige zu Boden.

Leibwächter sprangen sofort auf, um Karzai in Sicherheit zu bringen, wie Gesundheitsminister Fatimie sagte, der bei der Parade nur drei Meter hinter dem Präsidenten saß. Auch ausländische Gäste wie der britische und der US-Botschafter blieben unverletzt.

Para abgebrochen

Die rund 3000 paradierenden Soldaten und Polizisten flüchteten aus ihren Formationen; Sicherheitskräfte erwiderten das Feuer, das offenbar aus verlassenen Gebäuden in der Umgebung kam. In der Tribüne, auf der Karzai und die übrigen Würdenträger des Landes gesessen hatten, schlugen Schüsse ein. "Ich sah Kugeln einschlagen, schwarzen Rauch und konnte Schießpulver riechen", sagte Fatimie. "Zuerst wusste keiner, was passiert ist. Die Sicherheitsbeamten befahlen allen, sich hinzulegen, und das taten wir." Die Veranstaltung, die seit Tagen unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen vorbereitet worden war, wurde abgebrochen. Auch das afghanische Fernsehen brach seine Live-Übertragung der Parade ab.

Karzais Wagenkolonne verließ umgehend den Anschlagsort. Laut Fatimie wurden drei Menschen getötet, unter ihnen ein Parlamentsabgeordneter und ein zehnjähriger Bub. Unter den Verletzten war ein zweiter Parlamentarier. Nach Angaben des afghanischen Verteidigungsministerium war das dritte Todesopfer ein Stammeschef.

Kurz nach dem Angriff wandte sich der afghanische Präsident an sein Volk. "Alles ist ruhig, die Ruhe ist gesichert", sagte Karzai in einer Fernsehansprache. Die afghanischen Sicherheitskräfte hätten mehrere Angreifer gefangengenommen. In einer Erklärung verurteilte Karzai den Angriff und forderte Kabuls Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren: "Armee und Polizei halten die Sicherheit in der Stadt aufrecht, und die Lage ist unter Kontrolle." Die Parade mit etwa 3000 Soldaten war anlässlich des Endes der letzten kommunistischen Regierung in Afghanistan vor 16 Jahren abgehalten worden.

Taliban-Bekenntnis

Die Taliban bekannten sich zu der Tat. "Wir haben den Angriff verübt", sagte Taliban-Sprecher Sabihullah Mujahed. Mit Blick auf Karzai sagte er, der Angriff habe sich nicht gezielt gegen den Präsidenten gerichtet. "Wir wollten der Welt nur zeigen, dass wir überall angreifen können, wo wir wollen." Von den sechs beteiligten Taliban-Kämpfern seien drei bei dem Angriff getötet worden.

Der Angriff löste international Empörung aus. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte in Berlin, er habe "mit Abscheu" von dem "hinterhältigen Anschlag auf Präsident Karzai" erfahren. Der Anschlag habe darauf abgezielt, das Land zu destabilisieren. Auch das französische Außenministerium verurteilte "energisch" den Anschlag. Dies zeige, wie wichtig das internationale Engagement in dem Land sei, hieß es in Paris. "Die Taliban haben wieder demonstriert, dass sie zu äußerster Gewalt bereit sind, um sich gegen die Entwicklung Afghanistans zu Freiheit und Demokratie zu stellen", kritisierte auch NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer.

Karzai hat bereits mehrere Mordanschläge überlebt. 2002 wurde sein Fahrzeug im südafghanischen Kandahar beschossen. 2004 wurden zwei Raketen auf einen Hubschrauber abgeschossen, der Karzai in die östliche Provinz Paktia bringen sollte. Die 1996 begonnene Taliban-Herrschaft war 2001 durch einen US-geführten Angriff beendet worden. (APA/Reuters/dpa)