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Richtungsstreit in Sachen Güterverkehr: Italienische Lkw-Fahrer blockieren eine Mautstelle.

Foto: Reuters/Pascal Rossignol
Die Erhöhung der Lkw-Maut auf österreichischen Autobahnen ist wirtschaftspolitisches Billard mit zu vielen Eventualitäten – und der einen Gewissheit, dass heimische Transporteure dabei die Verlierer sind.

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Mit 1. Mai 2008 wird die Lkw-Maut auf österreichischen Autobahnen neu_erlich angehoben; jetzt um 2,2_Prozent, weil dies der durchschnittlichen Verbraucherpreissteigerung von 2007 entspricht und im letzten Jahr jährliche Mauttarifanpassungen gesetzlich verankert wurden, die sich an der Inflationsrate des jeweiligen Vorjahres bemessen.

Abgesehen davon, dass die Lkw-Maut zuletzt erst vor knapp zehn Monaten um rund 17 Prozent (!) erhöht wurde, ist die Maßnahme vielfach paradox:

Erstens enthält der als Bemessungsgrundlage herangezogene Index auch zahlreiche Komponenten, etwa die Maut selbst oder die ebenfalls per 1. 7. 2007 angehobene Mineralölsteuer, die von derselben öffentlichen Hand verursacht wurden, die sie nun als Argument zu einer weiteren Preissteigerung verwendet – ein Perpetuum mobile der besonderen Art.

Zweitens sind Preisanhebungen, zu deren Begründung man sich auf die Inflationsrate beruft, das, was man Zweitrundeneffekte nennt. Durch den Erhöhungsmechanismus hat die Regierung diesen Effekt bei der Lkw-Maut institutionalisiert, der von ihr ansonsten mit Recht gefürchtet wird, weil er die Geldentwertungsspirale begünstigen kann. Während die Europäische Zentralbank mit ihrer Zinspolitik dagegenhält, hat sie, wie man an unserem Beispiel sieht, nicht zuletzt nationale Regierungen zum Gegner.

Über die Bande spielen ...

Drittens sprechen sich Regierungsvertreter gerne dafür aus, dass die österreichische Bevölkerung vor den weltweit steigenden Preisen für Rohstoffe und Lebensmittel geschützt werden muss. Wo man den Preisauftrieb aber selbst dämpfen könnte, macht man das Gegenteil. Und dann noch Folgendes: Es heißt, die Kosten des Straßengüterverkehrs müssen steigen, um Transporte vom Lkw auf die Bahn zu verlagern. Stichwort: Internalisierung externer Kosten – ein ursprünglich grüner Gedankenansatz, den sich sowohl das rote Verkehrsministerium als auch, man sieht es, das schwarze Finanzministerium zu eigen gemacht haben.

Das aber ist ein Billardspiel, bei dem das Frachtgewerbe die Bande gibt, von der die Kugel namens Mauterhöhung zur verladenden Industrie abprallen soll, um dort ein Umdenken zu bewirken. Dazwischen liegen meist noch Spediteure und Logistiker, deren Reaktionen von aktueller Geschäftspolitik und Marktposition abhängen. Davor muss sich der einzelne Fuhrunternehmer noch entscheiden, ob er sich lieber dadurch gefährdet, dass er seine Kundenbeziehungen durch den Versuch einer unterjährigen Frachttariferhöhung belastet, oder dadurch, dass er dies unterlässt. Und danach entscheidet auch noch der Konsument, ob er höhere Preise für dieses oder jenes in Kauf nimmt. Nur wenn er das nicht täte, könnte er das vorgeblich angestrebte Umdenken durch eine zurückschlagende Kettenreaktion bewirken, aber auch nur, wenn die Bahn billiger und besser wäre.

Somit ist höchst zweifelhaft, ob die Karambolage roter und schwarzer Kugeln auf grünem Feld irgendein vernünftiges und nicht bloß zählbares Ergebnis in Form von Mehreinnahmen für den Staatssäckel bringt. Dieses Spiel über die Bande ist zu indirekt, um ein bestimmtes Ziel mit Gewissheit zu erreichen. Sicher ist nur, dass die Mauterhöhung eine neuerliche schwere Belastung bedeutet. Entweder sie wird über Fracht-, Speditions- und Logistikgewerbe an Industrie und Verbraucher weitergereicht und steigert somit den allgemeinen Preisauftrieb, der dann 2009 wieder die nächste Mauterhöhung begründet. Oder das schwächste Glied der Kette schluckt die Erhöhung und trägt den Schaden. Wahrscheinlich geschieht beides.

Mit seinem Stoß trifft der Finanzminister hauptsächlich die heimischen Transporteure. Wenn auch für alle Lkws ab 1. Mai auf österreichischen Autobahnen mehr zu bezahlen sein wird, so können doch jene die Mauterhöhung viel eher selbst tragen, die mit sonst niedrigen Kosten bei Löhnen, Gehältern, Steuern, Abgaben usw. operieren. Sie opfern etwas von jener Marge, die ein reiner Güterbeförderer in diesem Land schon lange nicht mehr hat. Ob die Politik wohl bedacht hat, dass sie damit dem Rest des noch unter österreichischer Flagge fahrenden Transportgewerbes mit seinen Beschäftigten den Garaus zu machen droht? Ob ihr bewusst ist, dass sie so Handel und Industrie des zuverlässigsten und flexibelsten Transportnetzes für den internationalen Güteraustausch mit Österreich berauben könnte?

... und das Ziel verfehlen

Um die Bahn zu fördern, bräuchte man den Umweg über diese Bande wahrlich nicht. Es würde reichen, dort die Beförderungsleistungen und Tarifbedingungen rasch und kräftig zu verbessern. So bekäme man Verkehrsverlagerung ganz ohne Preistreiberei. Aber dazu müsste die öffentliche Hand zuerst die Bahn in Ordnung bringen, um diesen Verkehrsträger nutzerfreundlich und leistungsfähig zu machen, statt es zuzulassen, dass dorthin fließende Steuermittel fragwürdige Grundstücks-, verlustträchtige Spekulations- und beratungsintensive Expansionsgeschäfte finanzieren. Ein paar Rücktritte reichen dafür nicht! Aber zugegeben: Die Lkw-Maut Jahr für Jahr automatisch anzuheben ist die wesentlich leichtere Übung. (David Gulda, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.4.2008)