Staats- und Verfassungsreform: Schon der Name des Projekts verleitet zum Weghören. Nach Kompetenzdschungel klingt das, nach Juristenlatein und Bürokratenwelt, kurz: nach allem, womit man im harten Alltag nicht belästigt werden will. Weil es mit der Lebensrealität augenscheinlich nichts zu tun hat. Ein grober Irrtum. Bei der Generalrevision, der das Organigramm der Republik nun unterzogen werden soll, geht es vor allem um eines: Geld. Je logischer solch ein Bauplan, desto leichter können ihn die Bürger durchschauen. Und desto weniger kostet er sie.

Dass Österreich in der Verwaltung den einen oder anderen Euro einsparen könnte, ist längst eine Binsenweisheit. Schon zur Jahrtausendwende errechnete das Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) in einem Vergleich mit Deutschland ein Sparpotenzial von 3,5 Milliarden Euro. Die Studie kann bis heute getrost zitiert werden. Denn geändert hat sich seither kaum etwas.

Fünf Jahre lang zerbrechen sich Fachleute nun schon die Köpfe, wie die Kompetenzen im Staat neu geordnet werden sollen. Erst debattierte der Österreich-Konvent, jetzt tagt eine Expertengruppe. Die Beratungen mögen noch Jahre dauern, doch ein Ergebnis steht bereits fest: Die notwendige Revolution wird ausbleiben.

Das Problem hat einen Namen: Föderalismus. Der Kleinstaat Österreich leistet sich für acht Millionen Einwohner neun Bundesländer mit neun Landtagen, neun Regierungen und neun angeschlossenen Apparaten; gemäß diesem Verhältnis müsste Deutschland aus 90 und nicht bloß 16 Ländern bestehen. Dieses System ist nicht nur deshalb teuer, weil ein Geschwader an Landesbeamten bezahlt werden muss. Es spottet in der aktuellen Form auch jeden Prinzips effizienter Organisation.

Die Länder streuen gern Geld unters Volk. Aber nur solches, das sie nicht selbst eingenommen haben. Genauso verbissen, wie die Landeshauptleute jedes Stückchen ihrer Macht verteidigen, wehren sie sich gegen den Vorschlag, selbst Steuern einzunehmen. Weil sie so vor ihren Untertanen den Schutzherren spielen können, der sie vor den Aussacklern im fernen Wien beschützt. Wer selbst aber nie Steuererhöhungen argumen_tieren muss, tut sich leichter, Geld unbekümmert beim Fenster rauszuwerfen.

Die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern sind nach einem undurchschaubaren System verteilt, das intelligente Planung behindert. Da wuchern unterschiedliche Rechtsvorschriften, bestehen vielfach Doppelgleisigkeiten. Exemplarisch ist das Beispiel der oft nur wenige Kilometer voneinander entfernten Spitäler an den Landesgrenzen, etwa jenen in Hartberg und Oberwart. Statt sich zu ergänzen, arbeiten sie eher aneinander vorbei.

Es war nicht zu erwarten, dass die Regierung und ihre Experten die Bundesländer im Handstreich abschaffen würden – obwohl das eine Debatte wert wäre. Aber eine eindeutige Kompetenzverteilung und eine Entmachtung der Länder in Schlüsselfragen (Schulen!) müsste eine echte Reform schon bieten. Die bisherigen Ergebnisse stimmen skeptisch: Das sogenannte Drei-Säulen-Modell bringt zwar eine gewisse Verbesserung, bewahrt aber Bereiche, wo sich Bund und Länder weiterhin in die Quere kommen.

Ein Handicap bestand von Anfang an. Im Österreich-Konvent tummelten sich – vom Politiker zum Beamten – nicht nur, aber vor allem Repräsentanten des Systems selbst. Allen voran die Ländervertreter, die sich in letzter Konsequenz selbst abschaffen müssten. Kein ideales Personal für eine radikale Reform. Überspitzt formuliert: Der Bock wurde zum Gärtner gemacht. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.4.2008)