Wien - Im Jahr 1816 genügte schon eine Katze, die verschreckt auf der Bühne des römischen Teatro Argentina hin und her lief, um die Uraufführung des Barbier von Sevilla wegen des im Publikum ausbrechenden allgemeinen Hohngelächters abzubrechen.
Alle Achtung! Die Duldsamkeit des Publikums ist in den beinah 200 Jahren, die seither vergangen sind, deutlich gewachsen. In dieser von Josef Ernst Köpplinger besorgten Neuinszenierung verirrt sich zwar keine Katze auf die Volksopernbühne, doch dafür wuseln allerlei andere Gestalten, die eigentlich nicht hergehören, durch das von Heidrun Schmelzer gestaltete, sich immer wieder drehende bunte Rossini-Ringelspiel.
Es wird treppauf und treppab gerannt, rechts von der Bühne hat sich ein Puff samt Personal etabliert, in das - ach, wie lustig! - auch ein hoch- und ehrwürdiger Padre schlüpft, der Barbier sieht aus wie ein Briefträger, nichts an ihm würde auf seinen Beruf hindeuten, dafür widmen sich Almaviva und Basilio löblicher Weise weithin sichtbar der Lektüre des Standard.
Szenische Überaktivität
Hoffentlich fällt ihnen bei einer der Folgevorstellungen nicht ein Exemplar unserer heutigen Ausgabe in die Hände, mit dem sie, sofern es diese Rossini-Premiere betrifft, wenig Freude hätten. Denn, um es kurz zu machen: Diese Inszenierung macht den Eindruck, als sei dieser Barbier ein Musical, dessen melodische Einfallsarmut durch szenische Überaktivität kompensiert werden muss.
Und so mühselig ließ sich diese Premiere akustisch auch an. Karel Mark Chichon, der frisch angetraute Gemahl von Elina Garanca, die wie Anna Netrebko im Publikum saß, konnte nicht verhindern, dass das Volksopernorchester zunächst einmal diesen Rossini ziemlich charmelos und schwerfällig herunterhaspelte.
Bis zu Rosinas Auftritt im ersten Akt. Daniela Fally brachte das zustande, was niemand mehr für möglich hielt, sie weckte alle Geister der melodischen Heiterkeit in Rossinis Musik - nicht nur in ihren Arien, sondern in der gesamten Aufführung.
Plötzlich war sie da, die vielzitierte, sogenannte "italianità". Auf einmal hörte man federnde Rhythmik, und der Sound des Orchesters wirkte einheitlich, mit den für Rossinis Musik so wichtigen dynamischen Reserven.
Vollendete Rosina
Daniela Fallys Rosina - hoffentlich wird sie jetzt nicht größenwahnsinnig - kann nicht hoch genug gerühmt werden. Da sitzen nicht nur alle Spitzentöne perfekt, sie lagert diese mit ihrem in allen Lagen gleich wohlklingenden Timbre geradezu unauffällig in ihren Part und macht diesen so über die bewundernswerte musikalische Leistung hinaus zum Motor der Gesamtdramatik. Dies gelingt ihr durch die an die Netrebko erinnernde Virtuosität, mit der sie ihre Stimme und ihre Gesten zu beider Vorteil zu koordinieren versteht.
Ob dies gelingt, weil oder obwohl diese Produktion nicht in der Originalsprache, sondern auf Deutsch gesungen wird, bleibe freilich dahingestellt. So sehr es nämlich grundsätzlich zu begrüßen ist, dass die Volksoper künftig italienische Werke auch in deutscher Übersetzung singen lässt, bleibt diese Entscheidung, solange man auch vom deutschen Text nur Bruchteile versteht, von geringer Nachhaltigkeit.
Auch die Berufung auf Günther Rennert, dessen deutsche Version man für diese Produktion reaktivierte, vermag da wenig zu ändern.
Insbesondere Daniel Schmutzhard in der Titelpartie und Lars Woldt als Doktor Bartolo haben vor allem in ihren Plapperarien ihre liebe Not. Daniel Schmutzhard muss man zugutehalten, dass er für den erkrankten Miljenko Turk einspringen musste. Ob er aber überhaupt jetzt schon trotz seines ausdauernden Baritons jene zentrale Gestalt ist, von der sämtliche Aktionen in dieser Oper ausgehen, ist allerdings zu bezweifeln.