München - In der Korruptionsaffäre bei Siemens kommen nach Medienberichten immer neue Vorwürfe gegen die ehemalige Führungsspitze an Licht. Ein ehemaliger Top-Manager soll Aussagen bestätigt haben, die den langjährigen Konzernchef Heinrich von Pierer belasten, schreibt das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" kommt zudem der ehemalige Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger zunehmend in Bedrängnis. Neubürger habe in einem Fall, in dem der Konzern jetzt Schadenersatzansprüche gegen ihn prüft, bereits Fehler eingeräumt, schreibt das Blatt am Sonntag in seiner Online- Ausgabe.

Laut "Spiegel" bezieht sich der Zeuge auf ein Milliardengeschäft mit Argentinien, bei dem in den Neunzigerjahren Schmiergeld geflossen sei. Dazu habe bereits vor zwei Wochen ein hochrangiger Siemens- Manager den Ermittlern gegenüber sowohl Pierer als auch die Ex- Vorstände Heinz-Joachim Neubürger, Volker Jung und Uriel Sharef belastet.

Nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" (Samstag) haben zwei Zeugen Pierer bei der Münchner Staatsanwaltschaft "schwer belastet". Der frühere Vorstandschef habe Angestellte des Konzerns zu Schmiergeldzahlungen aufgefordert, lauteten die Vorwürfe. Ein dritter Zeuge solle das bestätigt haben. Pierer weise die Anschuldigungen zurück und beteuere weiterhin seine Unschuld.

Anti-Korruptions-Ausschuss

Unterdessen hat laut "Spiegel" der sechsköpfige Anti-Korruptions- Ausschuss des Siemens-Aufsichtsrats Anfang vergangener Woche beschlossen, die Kanzlei Hengeler Mueller einzuschalten, um den Verdachtsmomenten gegen frühere Vorstände nachzugehen und spätere Schadenersatzklagen vorzubereiten. Dazu sollen die Juristen prüfen, ob und in welchem Umfang die einzelnen Manager womöglich ihre Sorgfaltspflichten verletzt haben.

Neubürger, der im April 2006 bei Siemens ausschied, wird nach dem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" unter anderem vorgeworfen, frühzeitigen Hinweisen auf Schmiergeldzahlungen in Nigeria nicht konsequent nachgegangen zu sein. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittele deshalb bereits seit Anfang 2007 gegen ihn. Der Ex- Finanzvorstand hat nach "SZ"-Angaben bei seinen Vernehmungen Versäumnisse zugegeben.

Schmiergeldzahlungen

Im November 2003 habe der damalige Konzernjustitiar einen Vermerk an Neubürger geschickt, in dem der Verdacht von Schmiergeldzahlungen in Nigeria geschildert wurde. Neubürger habe gestanden, den Vermerk bekommen zu haben. Er habe ihn an den damaligen Finanzchef der betroffenen Sparte Telekommunikation weitergeleitet und diesen gebeten, Ordnung zu schaffen. Er habe später allerdings nicht nachgefragt, ob das geschehen sei.

Die Korruptionsaffäre habe Siemens bereits 1,8 Mrd. Euro gekostet. Einen Teil das Geldes wolle sich das Unternehmen vom früheren Management wiederholen. Neubürger hat nach Angaben der Zeitung bei der Staatsanwaltschaft angegeben, sein Jahreseinkommen bei Siemens habe zuletzt 2,7 Millionen Euro betragen.

Siemens teilte nach Angaben der "SZ" mit, der Aufsichtsrat habe seinen zuständigen Ausschuss beauftragt, Schadenersatzansprüche gegen ehemalige Vorstände zu prüfen. Der Ausschuss sei befugt, "alle rechtlichen Maßnahmen zu ergreifen", um eine Verjährung von Schadenersatzansprüchen zu verhindern. Von ehemaligen Vorstände werde in solchen Fällen eine schriftliche Erklärung verlangt, dass keine Verjährung geltend gemacht wird, heißt es unter Berufung auf Konzernkreise. Wer das nicht unterschreibe, von dem werde umgehend Schadenersatz verlangt. (APA/dpa)