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Ayurveda ist die Heilkunst der Inder

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STANDARD: Was ist die Grundidee von Ayurveda?

Mathew: Ayurveda lehrt, wie man lange gesund und glücklich leben kann. Der Schwerpunkt der ayurvedischen Medizin liegt nicht nur in der Behandlung von Krankheiten, sondern auch in der Prävention, es geht darum, den Körper gesund zu erhalten. Dazu gehören Regeln wie etwa vor Sonnenaufgang aufzustehen oder die Hauptmahlzeit zu Mittag einzunehmen. Am Abend sollte man nicht zu spät ins Bett gehen, im Sommer sollte man es vermeiden, sich zu lange in der prallen Sonne aufzuhalten. Nach ayurvedischem Verständnis wirken in einem gesunden Körper drei Kräfte, die Doshas genannt werden: Vata, Pitta und Kapha. Ziel von Ayurveda ist es, diese drei Kräfte im Gleichgewicht zu halten. Der Mensch wird im Ayurveda immer als Einheit von Körper, Geist und Seele gesehen. Gerät eines davon aus dem Lot, hat das immer auch Folgen für andere Bereiche. Daher zielen Behandlungen nicht auf einzelne Organe ab, sondern auf den ganzen Menschen.

STANDARD: Wie behandeln Sie?

Mathew: Eine wichtige Rolle spielt die Ernährung. Sie sollte der individuellen Konstitution sowie der Jahreszeit angepasst sein. Daneben ist vor allem die Methode der Entgiftung bedeutend. Der Körper sammelt im Laufe der Zeit Schlacken an, die zu Krankheiten führen können. Durch eine ayurvedische Behandlung können diese ausgeleitet werden: In der Vorbereitungsphase werden Kräuteröle einmassiert, die vom Körper aufgenommen werden. Dadurch lösen sich Schlacken. Durch eine anschließende Schwitzbehandlung werden sie in Bewegung gebracht und sammeln sich im Magen-Darm-Trakt. Nun kann sie der Arzt durch Einläufe oder Abführbehandlungen ausleiten.

STANDARD: Und wie sieht eine Diagnose aus?

Mathew: Die Diagnose ist sehr umfassend: Neben der Pulsdiagnose werden Zunge, Augen, Hautbild sowie Harn und Stuhl untersucht. Im traditionellen Ayurveda werden keine Laboruntersuchungen gemacht. Allerdings geht man heute auch in Indien immer mehr dazu über, die ayurvedische Diagnostik mit Laboranalysen zu ergänzen.

STANDARD: Ayurvedische Arzneimittel wurden wegen Rückständen von Schwermetallen immer wieder als gefährlich kritisiert.

Mathew: Seit einem Jahr ist es in Indien gesetzlich geregelt, dass alle ayurvedischen Arzneimittel, die ausgeführt werden, auf Pestizide, Bakterien und Schwermetallrückstände geprüft werden. Tatsächlich kennt Ayurveda aber neben pflanzlichen Substanzen auch Schwermetalle und Mineralien als Arzneistoffe. Quecksilber zum Beispiel ist bei vielen chronischen Krankheiten nützlich. Es ist normalerweise sehr giftig, wird in der ayurvedischen Lehre aber in einem komplexen Entgiftungsverfahren von seiner Toxizität befreit. Die Einnahme sollte unter Aufsicht eines Arztes erfolgen.

STANDARD: Wie weiß ein Patient, ob ein Arzt, der Ayurveda-Behandlungen anbietet, qualifiziert ist?

Mathew: Man sollte die Ausbildung prüfen: Man kann Ayurveda nicht in einem Wochenendkurs lernen. In Indien absolviert man ein fünfeinhalbjähriges Universitätsstudium. Wir bemühen uns um Qualitätssicherung in Österreich. Es gibt eine postgraduale Weiterbildung an der Akademie für Ganzheitsmedizin, die von der Ärztekammer anerkannt ist. Es ist eine umfassende theoretische undf praktische Schulung in ayurvedischer Medizin.

STANDARD: Sie arbeiten als Chirurg nach schulmedizinischem Wissen und als Ayurveda-Arzt. Passt das zusammen?

Mathew: Sehr gut. Die Schulmedizin hat viele Stärken - vor allem im Bereich der Operationen. Aber wenn es um die Behandlung von chronischen Leiden oder um psychosomatische Erkrankungen geht, stößt sie oft an ihre Grenzen. Hier ist Ayurveda eine sehr gute Ergänzung. Meine Idealvorstellung ist, dass Ayurveda und Schulmedizin im Sinne einer ganzheitlichen Medizin zusammenwirken. (Sabina Auckenthaler, DER STANDARD, Printausgabe, 5.5.2008)