Es war am Donnerstag. Da schickte G. ein Mail. Damals - am Donnerstag –lebte der von zwei Schlägern niedergestreckte Bezirkspolitiker noch. Bloß hatte ihn Amstetten schon beinahe aus dem kollektiven Bewusstsein verdrängt.

G. hatte eine grundlose Schlägerei beobachtet. Und, schrieb sie, fühlte sich jetzt immer noch ziemlich beschissen. Weil sie sich nicht getraut hatte, einzugreifen. Aus Angst. Um sich und um ihre Kinder. Aber das soll sie selbst erzählen. Ungekürzt. Oder genauer: Mit drei absichtlichen Kürzungen.

G.s Mail

"Zwei junge Männer, um die 18 Jahre, sind beim Praterstern in die U-Bahn gestiegen und haben lautstark einen jungen Burschen um die 16 Jahren nach der Uhrzeit gefragt. Dieser gab, trotz Telefonats welches er führte, bereitwillig eine Aussage. Dies reichte einem von Beiden nicht. Er fragte nach. Stand auf und ging zu ihm. Es endete in der Frage, warum er "so deppert schaut. Stimmt die Zeit überhaupt?".

"Der junge Mann hatte keine Zeit mehr zu antworten, da er sofort daraufhin eine Faust im Magen spürte. Der Zweite schaltete sich daraufhin ein und ging auch hinüber. Zum Entsetzen der U-Bahn Fahrgäste, begannen die beiden auf den jungen Mann einzuschlagen. Die Aggressivität dabei lässt sich kaum in Worte fassen. Sofort schrien Fahrgäste, dass sie aufhören sollten. Doch was wir zu hören bekamen, war ein lautstarkes, beängstigendes "Wos is? Wer will der Nächste sein. Halltet die Fresse, sonst hau ich Euch eine rein!".

Panik

"Panik brach im Wagon aus. Da auch einige Familien unterwegs waren, versuchte man Kinder nach hinten zu drängen. Die Passagiere drängten sich in den hinteren Bereich der U-Bahn. Zwei Männer riefen die Polizei, ein anderer ließ sich nicht beängstigen und schrie auf die zwei Prügler ein. Angekommen an der nächsten Station Schwedenplatz versuchte der Verprügelte weg zu laufen. Ohne Erfolg. Er wurde verfolgt und auf dem Bahnsteig noch einmal brutalst ins Gesicht geschlagen. Der Mann der nicht aufgehört hatte zumindest "aufhören" zu schreien, sowie die restlichen Passagiere, versuchten nun die zwei abzulenken."

"Sie wurden beschimpft und der junge Mann konnte das Weite suchen - hoffentlich. Bei der nächsten Station rannten wir zum Chauffeur, um es zu melden. Dieser schien relativ unbeeindruckt und verließ uns mit einem "Jo, na, I werd do mal anrufen".

Schockiert beschlossen wir, zu Fuß nach Hause zu gehen. Noch immer stehen wir unter Schock. Vor allem, weil wir das Gefühl haben, nicht Hilfe geleistet zu haben. Angesichts des Falles, bei dem ein Mann noch immer im Krankenhaus liegt, musste ich Dir das einfach schreiben. Was passiert hier? Was läuft falsch? Wären wir in den USA hätte jemand geschossen. Wir sind (zum Glück) in Österreich, doch das Land der Seligen ist ausgestorben."

Kürzung

Soweit G.s Mail. Ich habe es um drei Adjektiva gekürzt. Eines beschrieb das Opfer, eines die Schläger und eines den einzigen Zeugen, der zumindest versuchte, die Angreifer zu bremsen. Die Vokabeln lauten "türkischstämmig", "schwarz" und "hier geboren". Aber ich verschweige, welche Beschreibung zu welchem Akteur gehört. Und eigentlich sollte das ja ohnehin egal sein. Nur: Ist es das wirklich?(Thomas Rottenberg, derStandard.at, 5. Mai 2008)