Paparazzo-Foto plus "erste Liebe": kein Problem für die Privatsphäre, findet das Oberlandesgericht.

Ausriss: Heute

Vorsicht beim Küssen, rät Gerald Ganzger. Aus einer Begrüßung unter Kollegen zum Beispiel könne rasch in einer Zeitung eine "erste Liebe" werden.

Ganzger ist Rechtsanwalt von Natascha Kampusch und offenkundig überrascht von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom Montag. "Heute" brachte ein Bild von Kampusch und einem jungen Mann in einem Wiener Club sowie der Headline "Natascha: Sooo süß ist ihre erste Liebe!"

"Keine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs"

Keine Verletzung des – so formuliert das Mediengesetz – "höchstpersönlichen Lebensbereichs" von Kampusch, entschied der Richtersenat unter Herbert Körber. Nicht nur zu Ganzgers Verwunderung: "Sehr überrascht" hat die Entscheidung auch Medienanwältin Maria Windhager. Sie hat unter anderem den Salzburger Buben vertreten, um dessen Sorgerecht die Eltern unter reger Berichterstattung von Zeitungen und ORF stritten. "Im Zusammenhang mit dem Text ist nach meiner Auffassung sehr wohl der höchstpersönliche Lebensbereich erörtert worden", widerspricht Windhager dem Oberlandesgericht und sagt: "Ich kann diese Entscheidung nicht nachvollziehen."

"Ich glaube nicht, dass diese Entscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte halten würde", vermutet Kampusch-Anwalt Ganzger. Ob er dieses Gericht in der Causa anrufen wird, könne er noch nicht sagen.

Medienanwalt Michael Rami vertritt "Krone"-Chef Hans Dichand in vielen Verfahren, Ex-Finanzminster Karl-Heinz Grasser, etwa wenn es um dessen Privatsphäre geht, und eben auch Heute.

Rami: Geänderte Rechtsprechung

Rami argumentiert, die Rechtsprechung in Sachen Privatheit habe sich in den vergangenen Wochen geändert. Anlassfall: die von ihrer Mutter im Raum Linz eingesperrten und vernachlässigten Kinder. Der Vater klagte Berichte, wonach er die Kinder nur über den Gartenzaun begrüßen durfte. In der Causa habe das Oberlandesgericht Wien entschieden: Ereignisse in Lokalen, auf der Straße zählten nicht zum höchstpersönlichen Lebensbereich, sagt Rami. Darauf habe er sich nun erfolgreich in diesem Verfahren berufen.

Dennoch gebe es Fälle von höchstpersönlichem Lebensbereich auch im öffentlichen Raum, widerspricht Windhager. (Harald Fidler, DER STANDARD; Printaugsabe, 6.5.2008)