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Eine Umarmung für Natalie du Toit nach dem unglaublichen Erfolg in Sevilla.

Foto:AP/Armando Franca
Kapstadt/Sevilla - Open Water World Championships. In Sevilla. Der 10-km-Bewerb der Damen. Siegerin: Larisa Iltschenko, Russland. Zweite: Cassandra Patten, Großbritannien. Dritte: Yurema Requena, Spanien. So weit, so gut.

5,1 Sekunden hinter der Siegerin, 2 Sekunden hinter der Zweiten und 0,6 Sekunden hinter der Dritten erreichte die Südafrikanerin Natalie du Toit das Ziel, ihr vierter Platz war die große Sensation der Titelkämpfe im Langstreckenschwimmen. Du Toit, die sich damit für die Olympischen Spiele im August in Peking qualifizierte, ist nach einer Beinamputation gehandicapt - sie trägt eine Prothese. Allerdings nur an Land; denn bevor sie zu einem Schwimmbewerb startet, nimmt sie diese ab. Dann steht sie auf dem rechten Bein am Start, springt mit dem rechten Bein ab, tritt allein mit dem rechten Bein das Wasser. Den Rest erledigen die kräftigen Arme.

Schon in ihrer Jugend war Natalie, heute 24 Jahre alt, eine ausgezeichnete Schwimmerin. Mit 14 nahm sie erstmals an den Commonwealth Games (1998, Kuala Lumpur) teil. Zwei Jahre später verpasste sie die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Sydney. Ihr Ehrgeiz wuchs noch, sie steigerte die Umfänge. Trainierte daheim in Kapstadt oft zweimal täglich. Stand in aller Herrgottsfrüh auf, fuhr mit ihrem Scooter zum Trainingsbecken, zog ihre Längen, fuhr in die Schule. Im Februar 2001 wurde sie von einem ausparkenden Autofahrer übersehen, das Auto rammte sie, sie blieb schwer verletzt liegen, bei vollem Bewusstsein. Sie sagt, sie habe sofort gespürt, dass das Bein nicht mehr zu retten sein würde.

Sobald sie wieder zur Schule gehen, sobald sie wieder Scooter fahren konnte, begann Natalie auch wieder zu schwimmen. Drei Monate lang hatte sie ausgesetzt, und sofort nahm sie sich vor, an den Commonwealth Games 2002 (Manchester) teilzunehmen. Sie schaffte nicht nur das Limit, sie gewann nicht nur die Behindertenbewerbe über 50 m und 100 m Kraul, sie schrieb auch Sportgeschichte, als sie sich fürs 800-m-Kraulfinale der Nichtbehinderten qualifizierte. Bei der Schlussfeier wurde sie als "herausragende Athletin" der Spiele geehrt. 2003 trat Du Toit erneut gegen nichtbehinderte Kolleginnen an, sie kraulte bei den Afrika-Spielen zum Sieg über 800 Meter, bei den Afro-Asien-Spielen holte sie Silber über 800 und Bronze über 400 Meter. Im Jahr darauf verpasste sie das Olympialimit für Athen, bei den Paralympics ebendort gewann sie fünfmal Gold und einmal Silber. Aus einer von der "South African Broadcasting Corporation" durchgeführten Wahl der wichtigsten hundert Südafrikaner ging sie als 48. hervor.

Bei den Commonwealth Games 2006 wiederholte Natalie du Toit ihre Erfolge von 2004. Hernach wandte sie sich dem Langstreckenschwimmen zu, der 10-km-Bewerb der Damen ist erstmals olympisch. Und Du Toit sagt, sie habe ihren "Lebenstraum realisiert". Welche Ziele sie sich in Peking setzt, hat sie sich noch nicht überlegt. "Für mich", sagt sie, "gilt das olympische Motto wie sonst für kaum jemanden." Dabeisein ist alles.

Der Fall Pistorius

Mit dem Leichtathleten Oscar Pistorius versucht ein weiterer südafrikanischer Sportler die Norm für Peking zu erfüllen. Im Gegensatz zu Du Toit verwendet Pistorius, der zwei Beinprothesen trägt, diese jedoch bei der Sportausübung, deshalb hat ihm der Internationale Leichtathletikverband (IAAF) bis dato ein Startrecht bei Olympia verweigert. Pistorius berief beim Internationalen Sportgerichtshof CAS, eine Entscheidung über den Fall des 21-Jährigen soll in zwei Wochen vorliegen.

"Diese Klage mache ich nicht nur für mich, sondern für alle behinderten Athleten", erklärt Pistorius. "Wir verdienen die Chance, uns im Wettkampf auf höchstem Niveau zu messen, wenn es unsere Körper erlauben." Die IAAF war auf Grundlage eines vom Kölner Biomechanik-Professor Gert-Peter Brüggemann vorgelegten Gutachtens zur Auffassung gekommen, dass sich Pistorius durch die hochtechnologisierten Carbonprothesen ("Cheetas") einen Vorteil verschafft. Da ihm die Zeit davonläuft und ihm auch auf das 400-m-Limit (45,95) noch 61 Hundertstel fehlen, hofft Pistorius vor allem auf London 2012. (fri, Reuters, DER STANDARD Printausgabe 06.05.2008)