ModeratorIn: derStandard begrüßt Herrn Heil, wir freuen uns auf einen spannenden Chat!

Bertold Heil: Auch ich freue mich auf interessante Fragen und werde versuchen alles bestmöglich zu beantworten!

UserInnenfrage per Mail: Was macht Media Broadcast genau, wie baut man ein DVB-H-Netz auf?

Bertold Heil: MB betreibt Rundfunknetze, d.h. alle Netze, die für Fernseh- und Radio benötigt werden. In Deutschland machen wir dies über Satellit und Antenne. Zusätzlich haben wir noch ein paar Spezialthemen Digital Cinema und IPTV. Ein DVB-H Netz besteht im Prinzip aus Sendern, Antennen und einer "Plattform", .d.h. ein IT System, das die Programme verarbeitet, verschlüsselt und weitere Services vorhält.

UserInnenfrage per Mail: Glauben Sie, dass auch A1 und T-Mobile/tele.ring noch an Bord kommen?

Bertold Heil: Ich bin mir sicher, dass Mobile TV nicht nur ein Modethema darstellt, sondern dass das DVB-H Netz technisch und betriebswirtschaftlich attraktiv für die Mobilfunker ist. Deshalb bin ich optimistisch, dass wir uns auch mit den genannten Anbietern noch einig werden.

UserInnenfrage per Mail: Kann das Konzept überhaupt je aufgehen, wenn nur die zwei kleinsten Mobilfunkanbieter dabei sind?

Bertold Heil: Nach unseren Berechnungen geht sich das aus. Besser gehts natürlich, wenn alle mit dabei sind. Mit unseren Partnern Drei und ONE haben wir aber schon zwei sehr gute Promoter für Mobile TV gefunden und - wie eben schon gesagt - es gibt noch keine finalen Absagen der beiden größeren Mobilfunker.

UserInnenfrage per Mail: Ab wie vielen Zusehern rechnet sich Handy-TV wirtschaftlich. Wo liegt die kritische Masse?

Bertold Heil: Das konkret zu beantworten ist sicherlich nicht leicht. Ich denke aber, dass es schon im Bereich von einigen Hundertausend liegen sollte.

UserInnenfrage per Mail: Sind nicht momentan die Mobilfunker die einzigen Nutznießer von Handy-TV, weil sie ihren Kunden neue Geräte andrehen können?

Bertold Heil: Das kann man so nicht sagen. Die Programmveranstalter bekommen ja auch einen neuen Verbreitungsweg, bislang gabs TV ja nur zuhause. Sie erreichen ihre Zuschauer zu anderen Zeiten und in neuen Situationen, da kann sich langfristig auch werblich viel Interessantes entwickeln. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sollten auch nicht vergessen werden - die werden sich ein neues Gerät ja nicht einfach "andrehen" lassen, sondern nur zuschlagen, wenn Mobile TV ihnen wirklich nutzt.

UserInnenfrage per Mail: Momentan scheint es noch viel zu wenige DVB-H fähige Handys zu geben. Wann wird sich das ändern?

Bertold Heil: Das geht im Jahresablauf 2008 schon rapide los: Bereits zur EURO soll es m.W. 2-3 Geräte geben und bis Weihnachten sollen ca. die gleiche Zahl weiterer Geräte dazukommen. Momentan warten aber alle Hersteller noch darauf, dass es in einem Land in Europa richtig losgeht - Österreich hat hier wirklich die Aufmerksamkeit der ganzen Mobilfunkwelt.

UserInnenfrage per Mail: Gibt es bis zur EURO wenigstens für die 4 Austragungsorte eine flächendeckende Versorgung mit dem Signal?

Bertold Heil: Ja, das haben wir sichergestellt.

Micaela Marquee: Österreicher sind Handy-TV gegenüber noch skeptisch. Wie wollen Sie sie überzeugen?

Bertold Heil: Da sind uns als MUX-Betreiber die Hände gebunden. Wir dürfen nicht aufs Programm Einfluss nehmen und auch keine Endkundenverträge schließen. Diese Verantwortung liegt bei den Programmaggregatoren, also beim Mobilfunk. Ich kenne aber nur wenige Leute, die von Mobile TV, sofern sie es einmal in der Realität gesehen haben, nicht überzeugt waren. Super Bild, klasse Ton und eben dort wo ich es möchte.

UserInnenfrage per Mail: Wie soll die Werbewirtschaft auf den Zug aufspringen, wenn es noch nicht einmal Werbeformate, Preislisten, eine Reichweitenmessung etc. gibt?

Bertold Heil: Typische Henne Ei Problematik. Die Werbewirtschaft wird sich sicherlich genau anschauen, was passiert und erst in 1-2 Jahren Konzepte für Mobile TV haben. Bis dahin müssen Programmveranstalter und -Aggregatoren noch ohne diese Einnahmequelle auskommen. GfK Fessel ist m.W. aber zumindest schon auf die Beobachtung des Marktes vorbereitet...

UserInnenfrage per Mail: Würde es was bringen, wenn Handy-TV via Medienförderung angekurbelt wird?

Bertold Heil: Ich kenne zwar keine Details, habe aber gehört, dass die Handys für Mobile TV auch in gewohnter Weise gestützt werden sollen. Die Medienförderung müsste da m.E. neue Konzepte entwickeln, die sich von der DVB-T Förderung unterscheiden. Herr Krammer, der ONE CEO hatte hierzu mal einen Vorschlag gemacht, den ich aber im Detail nicht erinnere.

183ff54e-3492-4ff2-98f5-4b82c1a7b555: Es heißt immer, dass das österreichische Modell eine Vorreiterrolle bei Handy-TV einnimmt. Warum gerade Österreich? Handy-TV gibt es ja schon in anderen europäischen Ländern wie Italien, Finnland etc.

Bertold Heil: Italien und Finnland sind zwei besondere Fälle. In Italien war Mobile TV schon recht früh am Start und litt noch unter einigen Kinderkrankheiten und technischen Besonderheiten. Der (inzwischen recht erfolgreiche) italienische Case ist deshalb nicht so einfach übertragbar. In Finnland ist Mobile TV zwar schon gestartet, dort gibt es aber noch erhebliche Probleme in der vertraglichen Fixierung des Geschäftsmodells zwischen Programm, MUX und Mobilfunk. In Österreich sieht es aber so aus, dass hier eine gute Kombination an den Start geht und auch die Übertragbarkeit der Nutzergewohnheiten etc. auf andere Westeuropäische Märkte leichter möglich ist. Deshalb schaut alles auf uns.

Micaela Marquee: In Deutschland gibt es bereits Handy-TV. Wie hat sich das seit dem Start entwickelt? Was sieht man am Handybildschirm?

Bertold Heil: In Deutschland gab es bis vor wenigen Wochen Handy TV über die DMB Technik, die nur 4 Programme zulässt. Dieser Dienst wurde inzwischen eingestellt. Hauptgründe für den Misserfolg waren m.E. fehlendes Marketing und die Tatsache, dass die großen Mobilfunker in D nicht in die Vermarktung eingestiegen sind. Das Bild auf dem Handybildschirm muss man sich wie hoch auflösendes Fernsehen auf Handygröße vorstellen. Sehr scharf und man kann sogar die Textleiste bei CNN lesen.

Manfred Bieder: Welche Spiele der Euro kann ich mir am Handy ansehen?

Bertold Heil: Da der ORF mit seinen Programmen Teil des Angebots ist, werden alles Spiele zu sehen sein.

Skoops-o-tronic: Durch den potenziell vorhandenen Rückkanal via Mobiltelefon sind Services vie Video on Demand und Pay per View möglich. Gibt es Überlegungen in diese Richtung?

Bertold Heil: Ist potenziell möglich, liegt dann aber beim Mobilfunk. DVB-H selbst ist keine bi-direktionale Technik. Die VoD Filme müssen über das UMTS Netz kommen. Hier wird es aber einen gemeinsamen Programmführer geben über den beides funktioniert.

183ff54e-3492-4ff2-98f5-4b82c1a7b555: Welche Einnahmequellen außer Werbung sehen Sie denn noch? Nur mit den monatlichen Gebühren der Nutzer kann man Handy-TV wohl nicht finanzieren, oder?

Bertold Heil: Die Frage müsste der Mobilfunk beantworten. Dort wird m.W. bislang nur mit den Nutzergebühren kalkuliert. Weitere Einnahmequellen werden erst entwickelt werden müssen. Alle Beteiligten sind hier in der Pflicht, jetzt ihren Beitrag zu leisten, damit dieses Experimentierfeld entstehen kann und von den Zuschauerinnen und Zuschauern akzeptiert wird, dann kann man die Innovationen bringen.

luzy: Was war aus Ihrer Sicht letztlich ausschlaggebend für den Zuschlag für Mediabroadcast, 3 und ONE? Dieses Konsortium wurde ja anfangs als Außenseiter gesehen...

Bertold Heil: Wir haben m.E. ein gutes Team gehabt: 3 und ONE haben eine tolle Leistung gezeigt und alle privaten TV Veranstalter ins Boot geholt, wir hatten schon viele Jahre Erfahrung mit DVB-H und damit die technische Kompetenz plus das Geld, um hier für die langfristige Tragfähigkeit des Konzeptes gerade zu stehen. Das wir als MUX aus dem Bewerb gehen würden, haben wir aber am Anfang in der Tat nur gehofft, aber nicht geglaubt ;-)

Skoops-o-tronic: Was hindert A1 und TMA/TR daran eine Gegen-Plattform zu starten? (Mit der Rückendeckung der Internationalen Mutterkonzerne)

Bertold Heil: Dazu müsste die KommAustria einen zweiten MUX ausschreiben und die beiden Unternehmen müssten die Ausschreibung gewinnen.

Herr Ralf: Ich konsumiere HD-MobileTV bereits bei einem österreichischen Mobilnetzbetreiber über das UMTS-Netz, mit der Qualität bin ich sehr zufrieden. Warum wird diese Technologie nicht forciert, wo liegen die Vorteile von DVB-H?

Bertold Heil: UMTS Netze sind für individuelle und interaktive Kommunikation ausgelegt und geraten bei massenhaft-parallelen Zugriffen auf den gleichen Inhalt an technische Grenzen bzw. es wird zu einem sehr frühen Zeitpunkt unwirtschaftlich für den Mobilfunker. DVB-H ist eine echte Rundfunktechnik, die optimal darauf ausgelegt ist einen Inhalt an eine unbegrenzte Zahl von Nutzern auszustrahlen. Für diesen Zweck ist sie UMTS/HSDPA etc. weit überlegen.

to mate: Gibt es schon ein offizielles Datum, wann DVB-H nun startet?

Bertold Heil: Wir planen momentan für die Woche vor der EURO, d.h. vor dem letzten Mai Wochenende.

zebraspinne: Ich habe Bedenken bezüglich Netzabdeckung. Wird jemals ganz Österreich mit dem DVB-H Netz abgedeckt sein, oder konzentriert man sich wieder ähnlich wie heute die privaten Internetanbieter auf die wirtschaftlich interessanteren Ballungszentren? Sind

Bertold Heil: Zunächst einmal wird bis Ende 2008 mehr als 50% der Bevölkerung DVB-H Versorgung haben. Danach werden alle Beteiligten beobachten, wie der Markt sich entwickelt. Wenn Mobile TV der erwartete Erfolg wird, wird sicherlich ein weiterer Ausbau stattfinden. "Ganz Österreich" im Sinne von 100% wird aber sicherlich nicht wirtschaftlich zu versorgen sein, aber zumindest 75% haben wir schon mal durchgerechnet.

to mate: Sie haben vorhin erwähnt, dass die Programme verschlüsselt werden. In Zusammenhang mit Premiere hört man immer wieder, dass die Verschlüsselung gehackt wird. Droht das auch bei DVB-H?

Bertold Heil: Ganz ausschließen kann man dies nie. Allerdings wird Mobile TV mit einem Verfahren verschlüsselt werden, das die SIM Karte einbezieht. Die SIM ist m.W. bisher noch nicht massenhaft gehackt worden, so dass wir hier eigentlich ein gutes Gefühl haben.

Micaela Marquee: Angeblich muss man für Handy-TV GIS-Gebühren zahlen. Finden Sie das fair, bzw. ist das in den anderen Märkten (Deutschland) auch so?

Bertold Heil: Soweit ich weiß, ist das Handy GIS frei. In Deutschland gibt es hierzu noch keine finale Meinung, die dt. GEZ ist aber sehr erfinderisch und wird hier wahrscheinlich einen Vorstoß machen.

Gonga: hallo. ich habe zwei fragen. 1. "Das Bild auf dem Handybildschirm muss man sich wie hochauflösendes Fernsehen auf Handygröße vorstellen. Sehr scharf und man kann sogar die Textleiste bei CNN lesen" - das geht doch nur, wenn ein display auch die nöti

Bertold Heil: Klar, die Displays sind aber auch so gut. Einige Geräte werden volle VGA Auflösung 640x480 haben. Wann man schaut? Also ich selbst schaue häufig im Taxi oder wenn ich warte. In den Feldtests haben aber Viele auch zuhause (parallel zum großen Fernseher), bei der Arbeit etc. geschaut. Da gibt es eine Menge kreatives Potenzial. Mobile TV wird an einigen Stellen in der Radio oder Zeitungsnutzung knabbern, aber nicht in dramatischer Weise...

df df: Die Idee vom mobilem Fernsehern existiert schon länger, wieso sollte sie sich gerade jetzt auf dem Handy durchsetzen? Zählt die Portabilität eines Handys mehr als sein kleines Display?

Bertold Heil: Das Handy ist ein sehr persönliches Gerät, das kaum jemand aus der Hand gibt und immer bei sich hat. Wenn ich dort auch Fernsehen schauen kann, sind die Nutzungsbarrieren nicht allzu hoch. In der Vergangenheit litt das mobile Fernsehen an schlechter analoger Qualität, entsprechend üblem Bild und ich brauchte zumeist ein unhandliches Gerät. Und das kleine Display spielt m.E. keine echte Rolle. Das Bild ist wirklich sehr ansehnlich.

183ff54e-3492-4ff2-98f5-4b82c1a7b555: Mit welcher Nutzungsintensität rechnen Sie bei der Markteinführung? Gibt es da Studien?

Bertold Heil: Es gibt massenhaft Studien, die aber alle nur Feldtests und nicht auf ein kommerzielles Angebot aufbauen. In der Tendenz kann man aber von Nutzungszeiten zwischen 10 und 30 Minuten im Mittel ausgehen, die meisten Tester hatten eine fast tägliche Nutzung angegeben. Aber, wie gesagt, alles "qualifizierte Kaffeesatzleserei" Die Wahrheit kennen wir erst, wenn es kommerziell losgeht.

to mate: Media Broadcast stellt das Netz zur Verfügung, die Programmaggregatoren bespielen das Netz. Besteht nicht die Gefahr, dass Handy-TV hierzulande zäh anläuft und die Mobilfunker ohne Netz dastehen? Wieviel Zeit geben Sie dem Geschäft in Österreich?

Bertold Heil: Wir haben eine Lizenz für 10 Jahre und werden mit den Mobilfunkern (die ja auch Programmaggregatoren sind) entsprechend Verträge schließen. Eine zeitliche Limitierung haben wir uns nicht gegeben, wir glauben ja am Mobile TV, sonst hätten wir uns nicht auf unser Geschäftsmodell eingelassen.

Deconstructive Force: Werden tatsaechlich Streams in 640x480 verfuegbar sein? Ich kann mir das nicht wirklich vorstellen, in anderen Laendern ist 320x240 bzw. 352x288 Standard. Das wuerde naemlich die 4-fache Bandbreite bedeuten.

Bertold Heil: Bei den Streams haben Sie Recht, es ging nur um die Auflösung des Bildschirms.

183ff54e-3492-4ff2-98f5-4b82c1a7b555: Glauben Sie, dass es in Österreich eine annähernd 100 prozentige Abdeckung mit dem Signal geben wird, wenn alle Mobilfunkanbieter dabei sind?

Bertold Heil: Ich glaube nicht, dass jemand die Kosten für 100% aufbringen wird. Wenn doch, wäre dies möglich.

Micaela Marquee: Verraten Sie Ihre Lieblingssendung am Handy?

Bertold Heil: Da wir Mobile TV bislang nur in Berlin, Qatar und Dubai aufgebaut hatten, ich dort aber nicht wohne, konnte sich noch keine Lieblingssendung entwickeln. Ich habe halt gezappt! (In Deutschland)

ModeratorIn: Herr Heil muss zum nächsten Termin, wir bedanken uns für sein Kommen und wünschen noch einen schönen Tag! Vielen Dank an die UserInnen für die rege Teilnahme.

Bertold Heil: Vielen Dank für das rege Interesse. Ich war offen gestanden skeptisch, wie viele Fragen zu diesem Thema kommen würden. Schade, dass ich schon los muss. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht! Allen einen schönen Tag!