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Aufatmen im Lager Barack Obamas: Die Unterstützer des Senators feierten ihren Sieg in North Carolina frenetisch. Am Dienstag wurden dort und in Indiana die letzten Vorwahlen der Demokraten in größeren US-Bundesstaaten geschlagen. Die Saison läuft noch bis Anfang Juni, dann dürften die sogenannten Superdelegierten auf dem Parteikongress über die Kandidatur entscheiden.

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Hillary Clinton will nicht aufgeben und weiterhin „mit voller Kraft ins Weiße Haus“ streben.

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Mit seinem beeindruckenden Sieg in North Carolina bringt der Senator Hillary Clinton, die in Indiana nur knapp gewann, schwer unter Druck. Aufgeben will sie aber dennoch nicht.

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Zum ersten Mal seit Wochen klang es wieder echt, das „Yes, we can“ Barack Obamas. Erleichtert, geradezu befreit skandierten seine Anhänger den Schlachtruf, fast so, als wäre eine zentnerschwere Last von ihren Schultern gefallen. Im Reynolds Coliseum in Raleigh feierten sie ein Ergebnis, das als Wende von North Carolina in die Chronik eingehen wird. Wende, Comeback, Spielentscheidung – das waren die Vokabeln von Obamas Beratern, um das Resultat einzuordnen. „Endlich ist das Zielband in Sicht“, frohlockte Robert Gibbs, der Kommunikationschef des Senators. Tatsächlich kann niemand mehr überzeugend begründen, warum Obama die Bewerbung ums Weiße Haus noch an Hillary Clinton abgeben sollte.

Mit seinem haushohen Sieg im bevölkerungsstarken North Carolina baute er seinen Vorsprung in der einzigen Statistik, auf die es wirklich ankommt, fast uneinholbar aus. Bei den Stimmen der Kongressdelegierten, die im August den Kandidaten küren, liegt er 150 Stimmen vor seiner Rivalin. Zwar ging Indiana, der zweite Bundesstaat, in dem am Dienstag gewählt wurde, an Clinton, allerdings wesentlich knapper als erwartet. Unterm Strich blieb ein deutlicher Zugewinn für Obama. Er ist bis auf weniger als 200 Delegierte auf die für die Nominierung nötige Zahl (2025) herangekommen.

Hoffen auf ein Wunder

„Hillary kann nur noch auf ein Wunder hoffen“, brachte es Tom Brokaw, die graue Eminenz des Fernsehsenders NBC, prägnant auf den Punkt. Bevor am 3. Juni die Schlussglocke der Primaries läutet, müsste die Eiserne Lady alle sechs ausstehenden Runden mit Dreiviertelmehrheit gewinnen, um ihren Konkurrenten noch abzufangen. Praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Denkbar ist, dass sie darauf beharrt, die annullierten Vorwahlen in Florida und Michigan nachträglich – und gegen die Regeln – für gültig erklären zu lassen. Ende Mai wollen die Parteigremien darüber entscheiden, eine juristische Nachspielzeit scheint nicht ausgeschlossen.

Dennoch, wenn Obamas Lager vom nahen Zielband spricht, liegt das nicht nur an der Arithmetik, sondern auch an neuem Schwung, einer psychologischen Zäsur. Spürbar ist das Aufatmen nach einer Schwächephase, die der 46-Jährige selbst als seine „schlechtesten Wochen“ einstufte. Seit Anfang März hatte Obama in Texas, Ohio und Pennsylvania drei wichtige Wahlgänge verloren. Er wirkte abgekämpft, mühsame Routine ersetzte die grandiose Aufbruchstimmung des Winters. Unter Druck erlaubte er sich grobe Schnitzer.

Gewehre und der Pastor

Dem kleinstädtischen Amerika unterstellte er allzu pauschal, angesichts wirtschaftlicher Probleme verbittert zu sein und sich deshalb an Kirche und Knarre zu klammern. Sein Pfarrer Jeremiah Wright, der frühere Ausfälle („Gott verdamme Amerika“) durch eine eitle Selbstdarstellungstour noch auf die Spitze trieb, erwies ihm einen Bärendienst. Plötzlich zweifelten weiße, zumeist ältere Wähler am Patriotismus des Kandidaten mit dem kosmopolitischen Lebenslauf, der über Hawaii, Jakarta und Manhattan nach Chicago führte. Hillarys Stab porträtierte den Harvard-Juristen als Snob, der den kleinen Mann schlicht nicht verstehe und daher nie ins Oval Office einziehen könne. Auch rassistische Untertöne schwangen mit in der Anti-Obama-Kampagne.

Kein Wunder, dass seine Fans nun umso ausgelassener jubilieren. In der Krise war er partout nicht der Sonntagsredner, als den ihn die Clinton-Riege skizzierte, nicht der Sonnyboy, dem die Nerven flattern, sobald ein paar Gewitterwolken aufziehen. Noch ist offen, ob und wann Hillary Clinton einsieht, dass sie nicht mehr gewinnen kann. Der Druck wächst, hinter den Kulissen reden ihr die Superdelegierten ins Gewissen. Etwa 270 dieser Parteikoryphäen haben sich noch auf keinen Anwärter festgelegt, nach wie vor bilden sie das Zünglein an der Waage.

„Ich glaube aber nicht, dass wir etwas tun, was dem Willen der Basis widerspricht“, wagt einer ihrer Prominentesten, Al Gore, eine vorsichtige Prognose. Ob Gore nun an den Strippen zieht, ob Obama seiner Kontrahentin über stille Kanäle die Vizepräsidentschaft anbietet, das alles sind Fragen, über die man in Washington heiß debattiert. In der Wahlnacht zumindest deutete nichts darauf hin, dass die (fast) gestrauchelte Senatorin klein beigeben wird. „Mit voller Kraft ins Weiße Haus“, rief Hillary ihren Fans zu. „Ich werde niemals aufhören, für euch zu kämpfen.“ (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 8.5.2008)