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EZB-Chef Jean-Claude Trichet (links) scheint von den Zinssenkungen seines US-Amtskollegen Ben Bernanke nicht sehr angetan zu sein.

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Wien/New York - Die US-Wirtschaft wandert auf einem schmalen Grat. Der größte Einflussfaktor auf die weltgrößte Ökonomie, das Verhalten der privaten Haushalte, stabilisiert die Konjunktur und riskiert gleichzeitig den Crash. Denn der Einkauf der Verbraucher erfolgt zusehends auf Pump. Genauer gesagt: auf Kreditkarte, denn die Banken haben infolge hoher Ausfälle ihrer Forderungen den Geldhahn zugedreht.

Allein im März haben die US-Konsumenten ihre Kredite um 7,2 Prozent erhöht, geht aus neuen Daten der Notenbank Federal Reserve hervor. Getrieben wurde der Anstieg von den Kartengeschäften und den Autokrediten. "Wenn man von der Bank nichts erhält, werden die Linien der Kreditkarten gezogen", beschreibt HVB-Kreditstratege Tim Brunne das Verhalten der Konsumenten. Und die US-Autohändler versuchen obendrein, den rückläufigen Absatz durch günstige Finanzierungen anzukurbeln.

Leisten können sich das die Amerikaner nicht, im Gegenteil: Die Zwangsversteigerungen von Eigenheimen sind in den letzten Monaten ebenso explodiert wie die Ausfälle bei Auto- und Kartenkrediten. Die Zahlungsmoral ist laut einer Untersuchung der American Bankers Association zuletzt auf den tiefsten Wert seit 1992 gesunken. Kein Wunder: Neben den härteren Kreditkonditionen macht den Konsumenten der Stellenabbau zu schaffen - in den vergangenen Monaten gingen schon rund 200.000 Jobs verloren. Gestern teilte das US-Arbeitsministerium mit, dass die geleisteten Arbeitsstunden im ersten Quartal des laufenden Jahres wegen des Beschäftigungsrückgangs um 1,8 Prozent gesunken sind. Das war das größte Minus seit 2003.

Stabilisierung für die Konjunktur

Während die Sorgen vor einem richtigen Crash der überschuldeten Haushalte wachsen, stabilisiert das Leben auf Pump erst einmal die Konjunktur. Im ersten Quartal hat sich die Ökonomie erfolgreich gegen die drohende Rezession gewehrt. "Irgendwo müssen die über Kredit aufgenommenen Gelder ja hinfließen", erklärt HVB-Experte Brunne. Sie fließen beispielsweise in Anschaffungen für den täglichen Bedarf. Die größte Handelskette des Landes, Wal-Mart Stores, berichtete am Donnerstag eine Umsatzsteigerung von 3,2 Prozent in den USA.

Umstritten ist derzeit eine von den Demokraten forcierte Maßnahme zur Entlastung der Heimbesitzer. Der Vorschlag der Partei, wonach der Staat für wackelige Kredite in die Bresche springen soll, dürfte mit einem Veto von US-Präsident George W. Bush abgeschmettert werden. Der von den Demokraten dominierte Kongress plädiert für die Entlastung von rund 500.000 Schuldnern, die mit 300 Milliarden Dollar in der Kreide stehen und von steigenden Zinsen und Zwangsversteigerungen bedroht sind.

Obwohl die Konjunktursorgen längst über den Atlantik geschwappt sind, stehen in Europa keine stimulierenden Maßnahmen am Tapet. Die Europäische Zentralbank hat am Donnerstag die Leitzinsen bei vier Prozent belassen. EZB-Chef Jean-Claude Trichet deutete an, dass der Preisauftrieb länger anhalten werde als bisher erhofft. (Andreas Schnauder, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 9.5.2008)