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Wörthersee-Arena in Klagenfurt, Albert Wimmer.

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National Stadium in Peking, Herzog & de Meuron.

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Wien - "Ich hatte immer das Beispiel vom Eiffelturm im Kopf", sagt der Schweizer Architekt Jacques Herzog, "auch der wurde für einen temporären Event gebaut und ist heute wie eine öffentliche Skulptur allen zugänglich." Gemeint ist das National Stadium für die Olympischen Spiele 2008 in Peking, ein Monument der aufstrebenden Volksrepublik China.

Eben fertiggestellt, schon hat das 100.000 Menschen fassende Mehrzweckstadion der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron einen Spitznamen. Wegen seiner stählernen Skulptur - 44.000 Tonnen Stahl wurden verbaut - sprechen alle vom Vogelnest. Und sogar ein Dokumentarfilm ist bereits gedreht. Christoph Schaub und Michael Schindhelm haben den Bau der Arena filmisch verfolgt und in eine Dokumentation gepackt. Am 6. Juni läuft der Film in den österreichischen Kinos an.

Während die Großmacht China im Bau eines Stadions ein Stück Baukultur sieht (und zweifelsohne auch eine gehörige Portion wirtschaftlicher Potenz), sieht die Sache in Europa etwas anders aus. Auch hier haben sich Herzog & de Meuron bereits sportlich engagiert: einmal mit dem Bau des Baseler Stadions St. Jakob (2001), ein anderes Mal mit dem Bau der Allianz-Arena in München (2005). Filme? Baukunstdebatten? Internationale Euphorie? Mitnichten.

Auch wenn die Bauwerke der beiden Schweizer in aller Architekten Munde sind, an ihre tatsächliche Konsistenz kann sich kaum ein Max Mustermann noch erinnern. Die Identitätslosigkeit, mit der diese Sportstätten trotz aller baulichen Exotik zu hadern haben, ist symptomatisch für den Stellenwert des Fußballs im deutschsprachigen Raum.

Anbindung an die Stadt

Im Stade de Suisse in Bern, einem der acht Austragungsorte der EURO 2008, wurde ein erster Versuch unternommen, die Sportstätte stärker ins städtische Bewusstsein zu rücken. Direkt ans Stadion hat man eines der größten Einkaufszentren der Schweiz angebunden.

Und auch beim überaus spektakulären Stadion Letzigrund in Zürich, das zeitgerecht zu den kommenden Europameisterschaften fertiggestellt wurde, bemühte man sich um die Verbundenheit der Bevölkerung. Man ließ die Zürcher abstimmen, ob sich ihre Stadt an der Austragung der Fußballspiele beteiligen solle oder nicht. 75 Prozent der Bevölkerung haben sich dafür ausgesprochen. "Wenn Sie die Stadt nicht auf Ihrer Seite haben, ist ein Projekt in dieser Komplexität nur mühsam zu realisieren", erinnern sich die beiden Architekten Marie-Claude Bétrix und Eraldo Consolascio.

Und Österreich? Fakt ist, dass hierzulande weit weniger in die Stadien investiert wird als anderswo. Während die Schweiz für ihre vier EURO-Stadien in den letzten Jahren rund 480 Millionen Euro locker machte, brachten es die drei Stadion-Neubauten in Innsbruck, Salzburg und Klagenfurt mitsamt den Erweiterungen für die Europameisterschaften nicht einmal auf die Hälfte der Baukosten.

Nicht zu erwähnen die politischen Nebenwirkungen: Die Genese des Stadions Wals-Siezenheim in Salzburg wurde von der Politik so lange hinausgezögert, bis auch die Bevölkerung dem Bauwerk gegenüber negativ gestimmt war. Und die Entstehung der Wörthersee-Arena in Klagenfurt liegt vielen bis heute schwer im Magen. Politik und Bauwirtschaft haben sich in der Ausschreibungsphase nicht von ihrer besten Seite gezeigt.

Wenig Freude in Österreich

Anstatt nach all den überstandenen Schwergeburten mit den stählernen Bauwerken vorliebzunehmen, setzt man nun alles Mögliche daran, die kostspieligen Tribünen-Erweiterungen, die für die EURO 2008 vorgenommen worden sind, nach ein paar Spielen wieder rückgängig zu machen. "Ich verstehe das nicht", sagt der Sportdirektor des SK Rapid Wien, Alfred Hörtnagl, "erst werden tolle Arenen für die EM gebaut, und dann sollen die Stadien wieder rückgebaut werden." Sein Vorschlag lautet: Im Aufbau von Strukturen und Nachnutzungen wäre das Geld besser aufgehoben als im Abbau der baulichen Gegebenheiten. "In der Schweiz schafft man das. Scheinbar ist das eine Mentalitätsfrage."

Warum will es in Österreich nicht gelingen, die Bevölkerung zu begeistern und mit ihrer Unterstützung Ikonen zu bauen? "Das hat unter anderem mit der Zielsetzung von Betriebsgesellschaften zu tun", sagt der Wiener Architekt Albert Wimmer. Er ist der Planer der drei Stadien Innsbruck, Salzburg und Klagenfurt. "Und es ist eine Frage der Bekanntmachung des österreichischen Sports über seine Landesgrenzen hinaus. Stadien als bauliche Hüllen allein reichen dafür nicht aus. Dazu brauchen Sie Manpower, Womanpower, Marketing und Elan." Wenn man das nicht hat, so Wimmer, dann bleibt man eben im Kleinen stecken. - Das ist der Unterschied zwischen chinesischem Vogelnest und österreichischer Nesthockerei. (Wojciech Czaja, DER STANDARD Printausgabe 13.05.2008)

  • "Bird's Nest". Herzog & de Meuron in China, Dokumentarfilm v. Christoph Schaub und Michael Schindhelm, 87 Minuten, Kinostart 6. Juni, www.herzogdemeuron-film.com

  • "Stadien/Stadiums. Marktplätze der Zukunft". Albert Wimmer, Doris Rothauer (Hg.), Springer Verlag. Buchpräsentation 26. Mai 2008, Säulenhalle des MAK, Wien, 18.30.