Seit dem Jahr 2006 gilt die Durchführung von Qualitätsmanagementsystemen (QM-Systemen) für die Inanspruchnahme von Förderungen durch den Fonds Soziales Wien als Verpflichtung. Da es für den Bereich des teilbetreuten Wohnens für Menschen mit Behinderung kein allgemeingültiges und anerkanntes System gibt, bleibt es den Organisationen vorbehalten, ein für sie adäquates System einzuführen. Elisabeth Skof hat es sich daher in ihrer Diplomarbeit zur Aufgabe gemacht, die bereits im Einsatz befindlichen QM-Systeme empirisch zu vergleichen. Dadurch soll jenen Einrichtungen eine Orientierungshilfe bereitgestellt werden, die sich mit der Einführung eines QM-Systems beschäftigen oder ein bereits eingeführtes QM-System optimieren wollen. Die Erfahrungen von 18 Trägerorganisationen in Wien wurden hierfür mittels schriftlicher Befragungen erhoben.

DIN EN ISO9000, Balanced Score Card oder TQM?

Wie für fast alle Lebensbereiche gibt es auch im Sozialbereich eine DIN-Norm, in diesem Fall die DIN EN ISO9000. Grundsätzlich werden hier nicht die angebotenen Leistungen und deren Qualität beurteilt, sondern die Qualität der Abläufe, die zur Erstellung von Leistungen notwendig sind. Dadurch kann es, wie die Autorin feststellt, zur seltsamen Situation kommen, dass durch ISO9000 lediglich überprüft wird, ob Handlungen richtig durchgeführt werden, und nicht, ob die richtige Handlung durchgeführt wird, was einen nicht ganz unerheblichen Unterschied macht. Die Balanced Score Card hingegen überprüft, ob die formulierten Ziel einer Einrichtung erreicht werden. Als überraschendes Ergebnis konnten die Skof erhobenen Daten zeigen, dass dieses QM-System trotz der betriebswirtschaftlichen und finanztechnischen Ausrichtung, die stärkste Kundenorientierung aufweist.

Qualitätsbewusstsein als umfassenden Handlungs- und Denkansatz eines Unternehmens stellt das Hauptmerkmal von TQM (Total Quality Management) dar. Um einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu erzielen ist dabei die Einbindung aller Organisationsmitglieder unumgänglich. Gerade dieser Anspruch suggeriert eine hohe Kundenorientierung, was durch die Befragungen jedoch nicht bestätigt werden konnte.

Schwachpunkt Praktikabilität

Je nachdem ob das QM-System stärker den Kostenträger, die Trägerorganisation oder den KundInnen berücksichtigt, weisen sie erwartungsgemäß Differenzen auf.

Einstimmig zeigen aber alle drei überprüften Systeme einen deutlichen Schwachpunkt im Bereich Praktikabilität. Wer sich schon einmal mit Qualitätsmanagement beschäftigt hat, wird nicht verwundert sein, dass auch hier Theorie und Praxis weit auseinanderklaffen. Die in der Arbeit behandelte Fachliteratur bescheinigt allen QM-Systemen ein hohes Maß an Praktikabilität und Integrationsfähigkeit, doch die empirischen Daten sprechen eine andere Sprache. Der mit der Einführung eines QM-Systems verbundene personelle und zeitliche Einsatz stellt nicht nur, aber vor allem kleinere Einrichtungen vor eine enorme Herausforderung und wird einhellig als große Hürde dargestellt. Der nötige Adaptierungsbedarf im Bereich Erhöhung der Praktikabilität liegt aufgrund der Datenlage auf der Hand, auch wenn die Autorin hierzu leider keine Lösungsvorschläge anbietet. Dass ein möglicher Ausweg beispielsweise durch eine personelle und finanzielle Aufstockung von Seiten der Öffentlichen Hand für Einrichtungen mit implementierten QM-Systemen gefunden werden könnte, wird nicht angedacht.

KundInnen mit einbeziehen

Einen weiteren Verbesserungsbedarf sieht die Autorin im Aspekt der Kundenorientierung. Mangelnde Partizipationsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung stellen auch in Zusammenhang mit der Einführung von Qualitätsstandards offensichtlich die Regel dar. Dies entspricht wohl weitgehend der Realität von Menschen die mit Einschränkungen leben und zeigt einmal mehr, wie notwendig es wäre, hier praktikable Modelle zu entwickeln, die eine Mitgestaltung ermöglichen.

Zudem konnte festgestellt werden, dass die geforderte Vernetzung und der gewünschte Informationstransfer zwischen Einrichtungen mit QM-Systemen nur marginal wahrgenommen wird. Auch hier scheint es eine Personalfrage zu sein, da die Weitergabe, Reflexion und Vernetzung mit anderen Einrichtungen als extrem zeitaufwändig und arbeitsintensiv gewertet wird und es wohl auch keine lange Tradition darin gibt, organisationsübergreifend zusammenzuarbeiten.

Qualitätsmaßstäbe relativiert

Der empirische Teil der Arbeit konnte in Verknüpfung mit der herangezogenen Fachliteratur zeigen, dass alle drei behandelten Systeme sehr wohl verwertbare Aussagen zur Qualitätsüberprüfung und -sicherung liefern können und somit für den Zielbereich, nämlich Einrichtungen für teilbetreutes Wohnen von Menschen mit Behinderungen, geeignet erscheinen. Die Autorin bemüht sich um eine umfassende Analyse der Daten, wodurch ihr eine durchschaubare Abbildung des Einsatzes von QM-Systemen im Sozialbereich gelingt. Schade ist, dass die in der Literatur vorgegebenen Annahmen, Darstellungen und Kriterien für Qualitätsmanagement nicht auch einer kritischen Überprüfung unterzogen werden. Denn Aussagen wie, "[...] ein ressourcenschonender Einsatz ist ein betriebswirtschaftliches Prinzip, dass alle Sozialorganisationen einzunehmen haben [...]" bleiben von Elisabeth Skof unkommentiert, was die Vermutung nahe legt, sie teile die Ansicht, dass dem Sozialbereich mit betriebswirtschaftlichen Parametern beizukommen wäre. Nichtsdestotrotz liegt die Bedeutung dieser Arbeit darin, die Vielschichtigkeit des Begriffs "Qualität" näher zu beleuchten, um nicht Gefahr zu laufen, alles für Gold zu halten, was ein Qualitätssiegel trägt.

Elisabeth Skofs Diplomarbeit "Qualitätsmanagement-Systeme im teilbetreuten Wohnen von Menschen mit Behinderung in Wien" (2007) kann im Volltext nachgelesen werden.