Prag - Der tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus befürchtet, dass die Ratifizierung des EU-Reformvertrages die Gültigkeit der Benes-Dekrete gefährden könnte. Auf die Frage, ob die Dekrete nach der Ratifizierung des Lissabon-Vertrages in Gefahr wären, antwortete das Staatsoberhaupt: "Das ist eine Frage für Juristen, aber ich selbst würde es befürchten." Näher äußerte er sich offenbar nicht.

Aufgrund der Dekrete des damaligen tschechoslowakischen Staatspräsidenten Edvard Benes waren über drei Millionen Sudetendeutsche nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet und vertrieben. Tschechien betrachtet die Dekrete als "erloschen", allerdings lehnt die Prager Regierung nach wie vor strikt ab, die Dokumente aufzuheben.

Zurückhaltung gegenüber des Reformvertrages

Klaus war ein starker Kritiker der vom EU-Konvent ausgearbeiteten und später gescheiterten EU-Verfassung. Bedenken und Zurückhaltung äußert er auch hinsichtlich des EU-Reformvertrages: "Der Lissabon-Vertrag ist ein Schritt in die falsche Richtung", meinte Klaus in dem Interview mit "iDnes", in dem er auf die gestellten Fragen schriftlich antwortete. Laut Klaus sollte man "ständig" und "unermüdet" daran arbeiten, die positiven Tendenzen in der europäischen Integration zu unterstützen und so weit wie möglich die "negativen Tendenzen - Gleichmacherei, Zentralisierung, Bürokratie und sowie die Entwicklung hin zu einer Sozialunion - zu verhindern".

Das tschechische Parlament hat bereits begonnen, sich im nationalen Ratifikationsprozess mit dem EU-Reformvertrag zu befassen. Der Senat hat jedoch um eine Überprüfung der neuen EU-Rechtsgrundlage durch das tschechische Verfassungsgericht ersucht. Es geht vor allem um die Bestimmungen des Vertrages hinsichtlich der Übertragung von Befugnissen an Brüssel, des Entscheidungsprozesses in den EU-Gremien sowie der Grundrechte-Charta und deren Rechtsverbindlichkeit für Tschechien. (APA)