Beirut/Wien - Die libanesische Sozialministerin und Präsidentenwitwe Nayla Moawad hat davor gewarnt, dass der Vormarsch der mit dem Iran verbündeten radikalschiitischen Hisbollah im Libanon letztlich auch für Europa eine Bedrohung darstelle. Zugleich kritisierte die christliche Politikerin in einem Interview mit "Spiegel Online" am Dienstag die Untätigkeit des Westens.

"Die internationale Gemeinschaft hat diesen Staatsstreich mit betont lautem Schweigen kommentiert. Das ist erschreckend, denn der Libanon ist als Geisel genommen worden. Wir sind enttäuscht von den Europäern", erklärte die 68-jährige Witwe des 1989 ermordeten Präsidenten René Moawad. Auch die arabischen Regierungen hätten sich bisher nicht überzeugend geäußert, "obwohl wir dringend ein stärkeres arabisches Engagement bräuchten".

"Coup"

Schließlich, so Moawad, gehe es um einen "Coup", der den Libanon zur vorgeschobenen Position des Iran am Mittelmeer mache. "Vom Libanon aus kann Iran die gesamte arabische Welt bedrohen. Sollte der Libanon und später der ganze Nahe Osten in die Hände islamischer Radikaler fallen - egal ob Sunniten oder Schiiten -, so bedroht dies Europa und den Rest der Welt."

Zu den jüngsten Vorgängen im Libanon sagte die Ministerin, es handle sich um keinen Kampf zwischen den Religionsgruppen. "Es ist ein versuchter Staatsstreich gegen die demokratische, pluralistische und freiheitliche Struktur des Landes. Die Hisbollah will dem Libanon ihre Ideologie aufzwingen. Eine extremistische, theokratische Ideologie, die aus Iran stammt und später vom Libanon aus der gesamten arabischen Welt aufgezwungen werden soll."

Auf den Widerstand der Hisbollah gegen Israel seien alle Libanesen stolz gewesen, fügte Moawad hinzu. "Jetzt aber ist die Maske der Hisbollah gefallen. Sie ist nur noch eine gewöhnliche Miliz: Denn sie setzt die Waffen, mit denen sie den Israelis entgegentreten soll, gegen libanesische Bürger ein." (APA)