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Kdolsky zu Ärztekammerpräsident Dorner: Seine Wortwahl sei "zum wiederholten Male eine sehr beängstigende" gewesen.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER
Wien - Der Streit zwischen Regierung und Ärzten um die Gesundheitsreform wird härter. Die Wiener Ärztekammer plant nicht nur eine Großdemonstration am 3. Juni, sie kündigte für die Zeit der Fußball-EM auch "umfangreiche Informations- und Protestmaßnahmen" an. Walter Dorner, Chef der Ärztekammer, hatte den Regierungs- und Sozialpartner-Verhandlern sogar vorgeworfen, "genetische Ärztehasser" zu sein.

Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky rief am Mittwoch zur Mäßigung auf und stellte klar, dass es bei den Reformplänen kaum noch Verhandlungsspielraum gebe. Bis 2012 sollen 600 Millionen gespart werden, gleichzeitig gibt es vom Bund 1,4 Milliarden Euro.

Die Sozialpartnerchefs Rudolf Hundstorfer (ÖGB) und Christoph Leitl (Wirtschaftskammer) übten ebenfalls Kritik an den Ärzten: Nur Nein zu sagen sei zu wenig. Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller warnte davor, dass infolge der Gesundheitsreform Leistungen von den Ärzten zu den Spitälern verschoben werden könnten.

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Zunehmend emotional wird die Debatte um die Gesundheitsreform. Die schlimmsten Erwartungen seien sogar noch übertroffen worden, schäumte die Ärztevertreter am Mittwoch nach der Präsentation der Reformdetails durch Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (VP) und Sozialminister Erwin Buchinger (SP). Ärztekammer-Präsident Walter Dorner hatte den Regierungs- und Sozialpartner-Verhandlern zuvor sogar vorgeworfen, „genetische Ärztehasser“ zu sein. Die Wiener Kammer kündigte bereits eine Großdemo am 3. Juni und „umfangreiche Informations- und Protestmaßnahmen“ während der Fußball-EM an.

Kdolsky und Buchinger zeigten sich davon weitgehend unbeeindruckt. Sie rufe zur „Mäßigung” auf, die Wortwahl der Ärzte sei „beängstigend“, sagte Kdolsky. Im Wirtschaftsbund zeigte man sich „empört“, die Aussagen würden an „rassistisches Nazi-Vokabular“ erinnern, hieß es. Kdolsky machte klar, dass es kaum noch Verhandlungsspielraum gebe. Beim Hauptkritikpunkt der Ärzte – im Falle des Scheitern von Honorarverhandlungen mit der Ärztekammer sollen Einzelverträge mit Ärzten möglich werden – sieht sie sogar „keinen Spielraum“ mehr.

Bei der Präsentation der Gesundheitsgesetze versuchte die Ministerin, die Befürchtungen der Ärzte zu entkräften. Das „Aut idem“, laut dem Ärzte ab 2010 nur noch Wirkstoffe statt Medikamente verschreiben, werde keinerlei Auswirkungen auf die Patienten haben. Die Apotheker würden weiter „keine therapeutischen Entscheidungen“ treffen. Nur wenn ein gleichwertiges billigeres Medikament vorhanden sei, werde das verschrieben. Für chronisch Kranke und bei „hochspezifischen Medikamenten“ – etwa für Krebstherapien – gebe es Ausnahmen. In 17 europäischen Ländern funktioniere das Modell längst. In Wahrheit habe man hier „alle Wünsche der Ärzte“ erfüllt, sagte Kdolsky.

Kündigung möglich

Verteidigt wurde von ihr auch, dass Kassenverträge künftig nur noch auf fünf Jahre befristet vergeben werden. Erfüllt der Arzt Qualitäts- und Effizienzkriterien nicht – etwa wenn er sich nicht weiterbildet oder unnötige Untersuchungen durchführt – kann der Vertrag gekündigt werden. „Ich verstehe nicht, dass sich jemand dagegen wehrt“, meinte die Ministerin. Die genauen Kriterien müssen freilich erst vom Bundesinstitut für Qualität festgelegt werden.

Vorgesehen ist weiters, dass Honorarverhandlungen künftig separat mit Allgemeinmedizinern und Fachärzten geführt werden. Und bei der Patientenquittung beruhigte Kdolsky, dass der genaue Inhalt erst festgelegt werde. Bereits heuer müssen nur neue Ärzte die Quittung ausstellen.

All diese Maßnahmen sollen bis 2012 rund 600 Millionen Euro bringen, sagte Buchinger. Gleichzeitig stellt der Bund in Summe rund 1,4 Milliarden Euro für die nächsten fünf Jahre bereit. Bekannt war bereits, dass Finanzminister Wilhelm Molterer (VP) 450 Millionen zur Schuldenabdeckung der Krankenkassen überweist. Damit reduziert sich der Schuldenstand von mehr als 900 Millionen auf die Hälfte, was allein jährlich zwischen 13 und 19 Millionen Euro an Zinsersparnis bringt.

Erfüllt wird auch eine langjährige Forderung der Kassen: Sie bekommen die Mehrwertsteuer auf Medikamente voll refundiert. Das bringt weitere 120 bis 130 Millionen. Für die Sozialversicherung der Pensionisten zahlt der Bund jährlich 33 Millionen Euro mehr. Und eine Umstellung bei der Einhebung der Pensionsversicherungsbeiträge soll jährlich weitere 20 Millionen bringen.

Noch offen ist der Anteil der Pharma-Wirtschaft. Kdolsky hat einen Gesetzestext vorgelegt, mit dem gesetzliche Rabatte (in noch offener Höhe) verordnet würden. Sollte man sich mit den Pharma-Firmen doch noch einigen, würde der Entwurf zurückgezogen. Dem Vernehmen nach geht es um ein Potenzial von 15 bis 30 Millionen Euro im Jahr. (Günther Oswald/DER STANDARD, Printausgabe, 15.5.2008)