London - Eigentlich kann es jeder sehen, fast überall. In den Alpen schmelzen die Gletscher. Kormorane beginnen zum Teil schon im Jänner zu brüten, und Obstbäume entfalten früher ihre Blütenpracht. An den Küsten der Ostsee fangen Angler immer öfter Wolfsbarsche, vor 40 Jahre kam die Art kaum nördlich des Ärmelkanals vor. Dies sind nur ein paar Beispiele von vielen.

Zweifelnde Stimmen

Trotzdem werden aus Politik und Wirtschaft immer noch Stimmen laut, die den globalen Klimawandel und seine menschlichen Ursachen in Zweifel ziehen. Es sei noch nichts wirklich bewiesen, behaupten sie, man brauche noch viel mehr Daten und Ergebnisse.

Genau solche hat ein internationales Forschungsteam jetzt geliefert. Die Experten entwickelten eine Datenbank aus 80 unterschiedlichen Studien mit insgesamt über 29.500 Datenreihen.

All diese Arbeiten belegten signifikante Veränderungen in biologischen und physikalischen Systemen wie etwa das Auftauen von Permafrost oder Schwankungen in der Abflussmenge von Flüssen über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren. Die erfassten Wandlungsprozesse wurden anschließend mit den gemessenen mittleren Temperaturänderungen in den jeweiligen geografischen Regionen gekoppelt, und die Trends wurden statistisch miteinander verglichen.

Das Ergebnis: Zwischen Klimawandel und Systemänderungen ließen sich deutliche Zusammenhänge feststellen. Die meisten Veränderungen (etwa 90 Prozent) hätten so stattgefunden, wie unter Einfluss der globalen Erwärmung zu erwarten sei, schreiben die Wissenschafter in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature" (Bd. 453, S. 353).

Um den menschlichen Einfluss auf die Veränderungen sichtbar zu machen, berücksichtigten die Forscher auch die möglichen Auswirkungen von natürlichen Klimaschwankungen. In den meisten Fällen können diese das Ausmaß des Wandels höchstwahrscheinlich nicht verursacht haben. Dasselbe gilt für andere Formen der anthropogenen Umweltveränderungen wie Landnutzung, Verschmutzung und dergleichen.

"Unsere Studie zeigt, dass der menschengemachte Klimawandel starke und weitverbreitete, fast allgegenwärtige Veränderungen bewirkt", erklärt die Klimaforscherin Cynthia Rosenzweig vom New Yorker Nasa/Goddard Institute for Space Studies im Gespräch mit dem STANDARD. "Der bisher noch geringe Temperaturanstieg hat bereits eine verblüffende Wucht."

Leider weist die Untersuchung noch einige Lücken auf. Aus einigen Regionen der Erde mangelt es schlichtweg an langfristigen Forschungsergebnissen, die ausgewertet werden können. Man brauche vor allem mehr Daten aus Südamerika und Afrika, sagt Rosenzweig.

Schwierige Berechnungen

Aus Europa dagegen liege zwar sehr präzises Material vor, doch auf diesem kleinen Kontinent erschwere das durch die Nordatlantische Oszillation verursachte, wechselhafte Klima die Berechnungen.

Um die Zusammenhänge zwischen Mensch und Klima zukünftig noch besser erforschen zu können, arbeitet das Expertenteam bereits an der Aufnahme von Satellitendaten in ihr Auswertungssystem. So sollen weitere Details aufgedeckt werden. (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.5.2008)