"Wir hoffen, dass unsere Arbeiten einen Unterschied machen." Barry Dickson, wissenschaftlicher Direktor des IMP.

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STANDARD: Ihr Institut ist international angesehen und die wohl erfolgreichste Forschungseinrichtung Österreichs. Was ist das Erfolgsgeheimnis des IMP?

Dickson: Es gibt da keine Geheimnisse. Das Institut wird vom Eigentümer, der Pharmafirma Boehringer Ingelheim, sehr großzügig finanziert. Wobei an dieses Geld keinerlei Bedingungen geknüpft sind - außer eben, möglichst gute Grundlagenforschung zu machen. Damit werden junge, helle Köpfe gefördert, für die das IMP tolle Bedingungen bietet.

STANDARD: Wie finden Sie solche hellen Köpfe?

Dickson: Wir schreiben unsere Stellen international aus und haben auch viele Bewerbungen. Aber die wirklich guten Postdocs findet man eher auf Empfehlungen von befreundeten Kollegen. Wir wollen Leute, die sich wichtige und interessante Forschungsfragen stellen und bereit sind, nicht bloß das nächstbeste Experiment zu machen. Diese Leute nehmen auch das Risiko auf sich, dass nichts dabei rauskommen kann.

STANDARD: Am IMP kommt vergleichsweise viel heraus. Sie haben mehr Publikationen in Top-Zeitschriften als die meisten österreichischen Universitäten, und IMP-Forscher zählen zu den am öftesten zitierten des Landes. Wie wichtig ist Ihnen das?

Dickson: Ich halte wenig von Impakt-Faktoren und auch von Zitierungszählungen. Wenn eine Arbeit oft zitiert wird, dann sagt das vor allem etwas darüber aus, wie groß ein Forschungsfeld ist, aber nicht, wie innovativ die Forschung tatsächlich ist.

STANDARD: Sind Publikationen in Zeitschriften wie "Nature", "Science" oder "Cell" ein Qualitätsmaßstab?

Dickson: Zu einem gewissen Maß ja. Diese Zeitschriften sind aber vor allem an "knalligen" Dingen interessiert, weil das wieder für ihren Impakt-Faktor wichtig ist, der angibt, wie oft die Arbeiten aus dieser Zeitschrift zitiert werden. Deshalb kommt es nicht selten oft vor, dass die dort publizierten Arbeiten sich langfristig als doch nicht ganz so wichtig herausstellen. Das ist im Übrigen nicht so verschieden von dem, was wir hier tun. Auch wir nehmen ein hohes Risiko in Kauf, und oft genug kommt nichts dabei heraus. Aber das ist besser als Mittelmäßigkeit.

STANDARD: Was können Sie - als Kontrast dazu - mit dem Begriff "wissenschaftliche Exzellenz" anfangen?

Dickson: Wenig. Das ist ein Schlagwort, das in den letzten Jahren so oft verwendet wurde, dass es ziemlich inhaltsleer geworden ist.

STANDARD: Wenn es nicht die Zitierungen sind und auch nicht die Impakt-Faktoren: Was ist für Sie letztlich das wichtigste Kriterium, das angibt, wann Grundlagenforschung Top-Qualität hat?

Dickson: Etwas hat Top-Qualität, wenn es nach Jahrzehnten immer noch relevant, richtig und interessant ist. Man könnte auch so sagen: Wichtig ist der Impakt einer Arbeit, den man nicht mit dem Impakt-Faktor einer Zeitschrift verwechseln soll.

STANDARD: Gelangen dem IMP in den vergangenen zwei Jahrzehnten solche Impakte?

Dickson: Mittlerweile lässt sich abschätzen, dass das Forschern hier am Institut unter anderem mit Arbeiten über Epigenetik oder über Zellzyklus und Zellteilung gelungen ist. Wir hoffen jedenfalls, dass unsere Arbeiten einen Unterschied machen und nicht nur Auswirkungen auf das jeweilige enge Forschungsfeld haben, sondern möglichst breit in der Biologie und Biomedizin.

STANDARD: Sie selbst untersuchen das Sexualverhalten von Fruchtfliegen und wie Gene dabei das Verhalten steuern. Lässt sich daraus etwas für das menschliche Verhalten folgern?

Dickson: Nein. Auf molekularer Ebene ist die Biochemie von Fliegen und Menschen zwar ziemlich gleich. Auf der Systemebene funktioniert aber alles ganz anders. Dieser Unterschied entsteht auf der Ebene der Neuronen und der Nervenbahnen, die im menschlichen Gehirn völlig anders ist als bei den Fliegen. Wir wollen zum einen herausfinden, wie Gene zur Ausbildung und Veränderung von Nervenbahnen führen, und zum anderen, wie diese Nervenbahnen das Verhalten bestimmen.

STANDARD: Kann man das, was Sie erforschen, irgendwie anwenden?

Dickson: Kurzfristig sicher nicht. Langfristig ist es nicht ausgeschlossen. Als die späteren Nobelpreisträger Christiane Nüsslein-Volhard und Eric Wieschaus die biochemischen Prozesse bei der Embryonalentwicklung von Fruchtfliegen analysierten, schien das auch ganz weit weg von jeder Anwendung zu sein. Heute spielen jene Gene, die sie damals fanden, eine wichtige Rolle in der Krebsforschung. Insofern hoffe ich - natürlich auch für Boehringer -, dass unsere Forschungen auch dazu führen könnten, irgendwann in ferner Zukunft Medikamente zu finden. (Birgit Dalheimer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15. 5. 2008)