Shane Kim, seit 2004 CEO der Microsoft Game Studios.

zsolt Wilhelm

"Ich glaube nicht, dass es sehr schlau von uns wäre Nintendo eins zu eins zu kopieren."

Zsolt Wilhelm

"Hören Sie nicht immer auf die Entwickler. Die wollen alle Blu-rays und teure Festplatten. Aber das ist nicht umbedingt das Beste für die Konsumenten."

Zsolt Wilhelm

"Mass Effect als Exklusivtitel zu behalten, war es nicht Wert Bioware und Pandemic zu kaufen. Das war nie eine Option."

Zsolt Wilhelm
Nintendos Wii scheint der Konkurrenz langsam aber sicher zu entfliehen. Die Aufmerksamkeit hat sich beim Rennen um die Vorherrschaft am Konsolenmarkt auf den Kampf um Platz Zwei gerichtet. Nach einem starken Jahr 2007, hat die Xbox 360 im neuen Jahr etwas an Rückenwind verloren. Sonys PS3 nimmt zunehmend Fahrt auf. In San Fransisco traf derStandard.at den Chef der Microsoft Game Studios , um über das Befinden der Xbox zu sprechen. "Es gibt keine nächste Xbox...", sagt Shane Kim im Gespräch mit Zsolt Wilhelm.

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derStandard.at: Der vielleicht größte Xbox 360-Titel des Jahres, Gears of War 2 passt nach Bioshock, Halo3 und Masseffekt wie angegossen ins bisherige Exklusiv-Line-up. Definitiv ein Spiel für die Kerngemeinde. Wenn Sie den Trubel um Nintendos Konsole Wii betrachten, wäre es nicht schlau einen ähnlichen Weg einzuschlagen? In der jüngsten Vergangenheit haben sich die Gerüchte verdichtet, wonach Microsoft bald selbst eine Art Wiimote bringen wird...

Shane Kim: Sie wissen, unsere Firmenpolitik besagt, dass ich Gerüchte nicht kommentieren darf. Ich kann das also weder bestätigen noch verneinen. Aber was ich sagen kann, ist, dass unser Zubehör-Geschäft sehr erfolgreich läuft. Wir forschen zurzeit an vielen Dingen über die gesamte Palette hinweg, nicht nur Hardware. Im Hardware-Bereich sehen wir uns verschiedenste Technologien an. Ich glaube nicht, dass es sehr schlau von uns wäre Nintendo eins zu eins zu kopieren. Sie haben definitiv Neuland erobert und das ist sehr interessant. Wir müssen überlegen, in welche Richtung wir mit unseren eigenen Hardware-Innovationen gehen wollen. Microsoft, Sony, Nintendo haben alle verschiedene Stärken und Schwächen, aber auch unterschiedliche Ansätze. Sei es Blu-ray, ein besonderer Controller oder wie in unserem Fall "online". Was also auch immer wir machen, es muss von unseren Online-Stärken profitieren.

derStandard.at: Ist Online auch die Antwort auf Blu-ray?

Shane Kim: Wir haben keine Pläne, Blu-ray zu unterstützen. Wir sind zufrieden mit dem Erfolg, den wir bisher mit unserem Video-Market-Place erzielen konnten. Wir werden unser Angebot weiterhin auf die Online-Distribution fokussieren.

derStandard.at: Was wird es Neues geben?

Shane Kim: Wir werden mehr und mehr Inhalte anbieten. Wir erweitern unser Video-Portfolio. Viele Spieleentwickler machen sich bereits Xbox-Live zu Nutze und bieten zusätzliche Inhalte an. Das schließt auch die exklusiven Download-Inhalte von GTA IV mit ein. Ich glaube, wir erschließen damit neue Geschäftsfelder. Wir sehen immer mehr Micro-Transaktionen. Genauso wie Werbung in Spielen.

derStandard.at: Microsoft hat erst kürzlich das XNA-Programm gestartet. Wann werden wir erste Ergebnisse sehen?

Shane Kim: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir Community-Arcade-Spiele ermöglichen. XNA wird ja auch auf der Zune-Plattform ausgerollt. Das Geschäftsmodell ist noch nicht offiziell. Aber das ist wie gesagt nur eine Zeitfrage. Wir haben Arcade ja bereits in unserem Market-Place. Wir feilen nur noch am Prozess, wie wir Spiele über XNA an die Öffentlichkeit führen. Der Zertifizierungsprozess existiert ja auch schon.

derStandard.at: Wenn alles auf die digitale Distribution hinausläuft, wann werden wir komplette Xbox-Spiele online kaufen können?

Shane Kim: Innerhalb der nächsten fünf Jahre, sollte das möglich sein. Zwar sind es keine Xbox 360-Spiele, aber über Valve‘s Steam-Plattform etwa kann man schon PC-Spiele kaufen und herunterladen. Wir selbst bieten alte Xbox-Klassiker an. Die Distribution von größeren Inhalten und Spielen wird definitiv stattfinden. Wir bieten heute schon HD-Filme an. Und ich denke, da sind wir im Vorteil.

derStandard.at: Aber im Kontrast zu den hehren Online-Plänen verfügt ein großer Teil aller Xbox 360-Konsolen nicht über eine notwendige Festplatte...

Shane Kim: Unser Job ist es, die Leute davon zu überzeugen, sich eine Festplatte anzuschaffen, wollen sie diese Dienste nutzen. Aber nicht jeder will das. Deshalb ist die Arcade-Version der Xbox 360 so wichtig für uns.

derStandard.at: Aber wenn Sie Spiele online verkaufen wollen, setzt das eine Festplatte voraus....

Shane Kim: Die Voraussetzung, um eine Platte einbauen zu können, muss bestehen. Wir bauen mehr Speicherplatz in die Arcade-Modelle, sodass man Arcade-Spiele auch ohne Festplatte herunterladen kann. Das wird sich verbessern. Wir wollen aber keine Festplatte verpflichtend machen.

derStandard.at: Spieleentwickler würden es aber auch sehr schätzen, könnten sie bei der Xbox 360 auf eine Festplatte setzen. Letztens hat sich erst GTA-Erfinder Sam Houser darüber beschwert...

Shane Kim: Es gibt keinen Entwickler auf der Welt, der es nicht bevorzugen würde, eine Festplatte nutzen zu können.

derStandard.at: Also, warum keine Festplatte?

Shane Kim: Schauen Sie, unsere Herausforderung war von Anfang an eine größere Auswahl anzubieten und einen niedrigeren Preis zu ermöglichen. Denn in manchen Märkten, gerade in Europa, ist der Preis ein wichtiger Faktor. Dafür müssen wir den Preis nicht noch zusätzlich mit den Kosten einer Festplatte belasten. Nicht jeder will das.

Ich verstehe, weshalb jeder Entwickler eine Festplatte will. Ich habe meine eigenen Entwickler, die auf eine Festplatte setzen wollen. Doch die Arcade-Version verbucht zunehmend Marktanteile für sich. Wir können die Kunden nicht zu einer Entscheidung zwingen. Viele werden mit einer Arcade-Version zufrieden sein. Hören Sie nicht immer auf die Entwickler. Die wollen alle Blu-rays und teure Festplatten. Aber das ist nicht umbedingt das Beste für die Konsumenten.

derStandard.at: Spiegelt sich die Preissenkung in Europa bereits in der Bilanz wieder?

Shane Kim: Ja, ganz klar. Wir haben aber dazu bislang noch keine offiziellen Zahlen veröffentlicht. Der Anstieg an Verkäufen ist dennoch signifikant.

derStandard.at: In welchen Regionen im Speziellen?

Shane Kim: Ich kann dazu nichts sagen. Wir waren nicht zufrieden mit unseren Fortschritten. Aber seit der Preiskürzung sind wir sehr glücklich damit. Mit der Veröffentlichung von GTA IV und der Anstrengung, wie wir es vermarktet haben (Download-Episoden), sind wir auch sehr zufrieden. Die Herausforderung ist dieses Momentum fortzusetzen. In Europa sind Sonys und Nintendos Marken sehr stark, doch Microsoft baut dort seine Marke gerade erst auf.

derStandard.at: Was machen Sie mit Japan?

Shane Kim: Wir machen nichts mit Japan, wir bleiben nach wie vor in diesem Markt. Wir sind nicht überrascht von den Ergebnissen dort. Wir haben eine andere Strategie mit Erstanbietern eingeschlagen und große und erfolgreiche Titel mit Sakaguchi-san gebracht. Wir sind nur nicht zufrieden mit den Konsolen-Absätzen. Ich glaube, es werden mehr und mehr japanische Entwickler auch die Xbox unterstützen, basierend auf dem Erfolg, den wir außerhalb Japans haben. Der japanische Markt wird zunehmend von Handheld-Konsolen dominiert, allen voran Nintendo, was nicht unbedingt ein gutes Zeichen für Dritthersteller ist. Japan kann für uns nur besser werden, doch werden wir nicht über Nacht gewinnen. Unser Fokus liegt aber weiterhin auf Nordamerika und Europa.

derStandard.at: Wie lange wird die Xbox 360 überhaupt am Markt bleiben?

Shane Kim: Ein Tag länger als die PlayStation 3.

derStandard.at: Wirklich, über 10 Jahre?

Shane Kim: Über 10 Jahre. Das haben die doch gesagt oder? Spaß bei Seite, wir wollen einen langen Zyklus. Aber Ich weiß nicht, wie lange genau. Sony kann sich glücklich schätzen mit der PS1 und der PS2 einen sehr langen Lebenszyklus gehabt zu haben. Das ist eine großartige Sache, die wir auch wollen.

derStandard.at: Und wie lange dauert es noch bis die nächste Xbox erscheint?

Shane Kim: Es gibt keine nächste Xbox.

derStandard.at: Keine 720er?

Shane Kim: Nicht das ich wüsste... Nichts was ich Ihnen verraten werde. Nein, wir sind fokussiert auf die Xbox 360. Wie schon zuvor gesagt, unsere Forschungs- und Entwicklungsabteilung steht nicht still. Aber zurzeit gilt der größte Teil unserer Aufmerksamkeit der 360er. Diese Generation hat noch einen weiten Weg vor sich.

derStandard.at: Wie sieht es mit künftigen Partnerschaften mit exklusiven Spielentwicklern aus? In letzter Zeit haben sich einige unabhängig gemacht - Halo-Entwickler Bungie beispielsweise.

Shane Kim: Die Studios sind sehr wichtig für uns. Wir halten immer Ausschau nach dem nächsten Gears of War und dem nächsten Halo. Im Falle von Bungie hat sich abgesehen davon, dass sie nicht unsere Angestellten sind, nicht viel geändert.

derStandard.at: Was ist mit dem nächsten Mass Effect, versuchen Sie das für die Xbox zu gewinnen?

Shane Kim: Das kann ich nicht kommentieren. Das ist Electronic Arts Entscheidung, es ist ihr Spiel. Ich denke, jeder war zufrieden mit dem Erfolg von Mass Effect auf der Xbox.

derStandard.at: Sehen Sie die Übernahme von Bioware durch EA als einen Verlust?

Shane Kim: Sicher, einerseits ist es ein Verlust, da Mass Effect ein großer Exklusivtitel war. Auf der anderen Seite mussten wir das Studio nicht kaufen, für 900 Millionen Dollar. Mass Effect als Exklusivtitel zu behalten, war es nicht Wert Bioware und Pandemic zu kaufen. Das war nie eine Option.

derStandard.at: Und was ist mit Bizarre Creations?

Shane Kim: Wir freuen uns für sie. Mit Activision haben sie viele Möglichkeiten. Wir waren immer nur am Rennspiel Project Gotham Racing interessiert und die Rechte an der Serie haben wir uns gesichert. Und wir haben Pläne für ein nächstes PGR. Wir haben ein großartiges internes Rennspiel-Studio mit Turn 10 (Forza). Mal sehen, was das nächste Rennspiel sein wird. Könnte ein neues PGR sein oder auch nicht.

derStandard.at: Vergangenes Jahr hat der Red Ring of Death (RRoD) den Glanz des Spiele-Line-Ups etwas getrübt, um es vorsichtig zu formulieren. Hat Microsoft mit den massiven Hardwareproblemen der Xbox 360 seine Reputation aufs Spiel gesetzt?

Shane Kim: Keine Frage, das hat den Kunden echte Probleme bereitet. Das tut uns wirklich Leid, darum haben wir auch die Garantie verlängert. Und schließlich haben wir nun auch die Hardware-Qualität verbessert. Ich bin mir sicher, dass das ein Nachspiel hat und es wird seine Zeit brauchen, bis die Kunden davon überzeugt sind, dass unsere Hardware nun qualitativ hochwertiger ist.

derStandard.at: Könnten sie zeitreisen, würden Sie den Markteintritt der Xbox 360 um ein Jahr verschieben, könnte die Qualität dadurch sichergestellt werden?

Shane Kim: Ja... Ich würde mich dafür entscheiden. Ich denke, man darf die Wichtigkeit von Qualität und erstklassigen Erlebnissen niemals unterschätzen. Und wir stehen dafür. Es kostet eine Menge Geld und Kraft solche Probleme zu überwinden. Ich weiß nicht, ob der Markteintritt 2005 Schuld an den Problemen war, aber was auch immer die tatsächliche Ursache war, ich wünschte, wir müssten nicht damit leben. Die Probleme sind aber da und wir haben alles getan, um sie zu lösen.

derStandard.at: Ist der erste Platz immer noch im Augenwinkel?

Shane Kim: Natürlich ist es unser Ziel zu gewinnen. Unsere Herausforderung ist es zum Massenmarkt vorzudringen. Wir sind erst in unserem dritten Jahr und es liegt noch ein weiter Weg vor uns.

derStandard.at : Vielen Dank für das Gespräch. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at vom 15.05.2008)