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Verzweiflung eines Elternpaars, das durch das Beben sein Kind verloren hat - mit jeder Stunde schwindet für zigtausende Verschüttete die Chance auf Rettung.

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Viel Orte wie Yingxiu liegen am Wasser. Wenn ein Staudamm bricht, könnten ganze Städte überschwemmt werden.

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Der zerstörte Ort Yingxiu.

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Die Rettungsleute arbeiten bis zur Erschöpfung, doch stündlich steigt die Opferzahl an.

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Nach dem verheerenden Erdbeben in China mit möglicherweise bis zu 50.000 Toten wächst die Seuchengefahr. Die Regierung mahnte, dass die Leichen möglichst schnell und abseits von Wasserquellen oder bewohnten Gebieten beerdigt werden sollten. Vier Tage nach der Katastrophe in der südwestchinesischen Provinz Sichuan wurden am Freitag noch tausende Verschüttete unter den Trümmern vermisst. Bis Donnerstag wurden offiziell mindestens 20.000 Tote gezählt. Allein in Sichuan seien 19.500 Menschen zu Tode gekommen, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Mehrere hundert Tote habe es auch in den Nachbarregionen gegeben.

Die Behörden wurden aufgerufen, die Lage genau zu beobachten, um sofort den möglichen Ausbruch von Seuchen festzustellen. Auch die mehr als 100.000 Soldaten, die bei den Bergungsarbeiten helfen, wurden zur Wachsamkeit aufgerufen. Ein hoher Parteifunktionär der schwer betroffenen Präfektur Aba, Bai Licheng, sagte, die hohen Temperaturen beschleunigten die Zersetzung der Leichen. Nach einem Besuch in dem schwer zerstörten Ort Yingxiu sagte Bai Licheng, die Leichen lägen auf dem Boden und schlechter Geruch liege bereits in der Luft. "Wir brauchen dringend Leichensäcke."

Einige zehntausend Obdachlose verbrachten die vierte Nacht unter Planen im Freien. Mehr als 100.000 Menschen sind verletzt. Die Überlebenschancen der Verschütteten schwinden mit jeder Stunde. Unterdessen haben Soldaten und Polizisten alle 58 betroffenen Bezirke in dem Katastrophengebiet erreicht, wie staatliche Medien meldeten.

Etwa 130.000 Soldaten und Angehörige paramilitärischer Einheiten suchten in den Trümmern dutzender zerstörter Städte nach Verschütteten. Doch drei Tage nach der Naturkatastrophe schwand die Hoffnung, viele der 25.000 Vermissten retten zu können. Zu den wenigen Erfolgserlebnissen gehörte die Rettung eines Mädchens aus den Trümmern einer Schule, 50 Stunden nach der Katastrophe.

Kollektive Verzweiflung

Die Führung der kommunistischen Partei rief angesichts von Gerüchten über Chemieunfälle und der Angst vor Dammbrüchen die Funktionäre dazu auf, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Sorgen bereiteten den Behörden auch Szenen kollektiver Verzweiflung und ein Ansteigen der Obdachlosenzahlen auf mehrere Zehntausend. "Es gibt genug zu essen, aber nicht genug Wasser. Wir hatten die letzten Tage nur Mineralwasser, aber nichts zu kochen", klagte ein Lehrer.

Unzählige Hubschrauber flogen Helfer und Güter ein. Nach Angaben des Außenministeriums werden vor allem Decken, Zelte, Lebensmittel, Satellitentelefone, Medikamente und Bagger gebraucht. Ein Vizeminister aus dem Gesundheitsministerium ergänzte, benötigt würden auch Verbandsmittel, Schienen sowie Dialysegeräte.

In einigen Ortschaften der besonders schwer getroffenen Region klagten Bewohner über fehlendes Essen. Sie seien außerdem gezwungen, verseuchtes Wasser zu trinken. Viele Menschen verbrachten die Nacht in Notunterkünften, wo das Fehlen von Wasser und blockierte Toiletten die Angst vor Seuchen aufkommen ließ. Nach Angaben der Regierung sind bisher aber keine Epidemien aufgetreten.

Gefahr durch Staudämme

Zusätzliche Gefahren kamen von beschädigten Staudämmen. Der Minister für Wasserwirtschaft, Chen Lei, nannte die Schäden gravierend. Die davon ausgehenden Gefahren könnten nicht abgeschätzt werden. Das Ausmaß der Schäden sei auch deshalb unklar, weil es Probleme in der Leitung der Wasserkraftwerke gebe und Informationskanäle blockiert seien, sagte Chen am Mittwochabend vor Funktionären.

Chinas Regierung hat am Freitag eine Soforthilfe von 53 Millionen Yuan (rund 5 Millionen Euro) zur Untersuchung der Dämme bereitgestellt, die durch das Erdbeben beschädigt worden sind. Mit dem Geld sollen die zerstörten Einrichtungen zur Kontrolle der Wasserreservoirs und zur Wetterbeobachtung repariert werden, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua.

Ministerpräsident Wen Jiabao, der die Rettungsarbeiten in Sichuan leitet, machte sich am Donnerstag auf den Weg in die Region Qingchuan. In dem Gebiet steht auch Chinas wichtigste Forschungseinrichtung für Atomwaffen. Das Unternehmen China Nuclear Engineering and Construction Corp berichtete, einige seiner Einrichtungen seien beschädigt worden. Ein Austritt von Radioaktivität wurde jedoch nicht erwähnt. (APA, Emma Graham-Harrison/Aly Song/Reuters, DER STANDARD - Printausgabe, 16. Mai 2008)