derStandard.at:Was halten Sie als ehemaliger Gesundheitsminister von der vorgelegten Gesundheitsreform?
Haupt: Das Paket "Gesundheitsreform" zu nennen, ist ein Etikettenschwindel. Der größte Brocken - die Finanzierung der Krankenanstalten - hat man ja aus Rücksicht auf den Föderalismus zur Gänze ausgeklammert. Ich glaube auch, dass einige Bestimmungen dieser Reform EU-rechtswidrig sind.
derStandard.at: Welche Punkte?
Haupt: Ich bin kein Verfassungsrechtler und möchte mich zu diesem Thema lieber noch nicht äußern.
derStandard.at: Die Ärzte planen Protestmaßnahmen. Ein Kritikpunkt: die Regelung, dass Ärzte nur mehr Wirkstoffe verschreiben und Apotheker das konkrete Medikament aussuchen.
Haupt: Der Widerstand ist verständlich, da die Pharmafirmen ja viel Geld für die Bewerbung ihrer Medikament bei den Ärzten ausgeben. Es stoßt den Ärzten sauer auf, dass damit nun Schluss ist. Aus der Sicht der Patienten halte ich das aber für einen Schritt in die richtige Richtung. Außerdem ist die Regelung weder neu noch ungewöhnlich. Auch vor zwanzig Jahren wurde das in Österreich so gehandhabt. Was nicht sein soll ist, dass zusätzliche bürokratische Hürden eingeführt werden, die wertvolle Zeit verschlingen.
derStandard.at: Apropos Medikamente: Die Apotheker werden ja auch Interessen daran haben, die teureren Medikament zu verkaufen.
Haupt: Im Gegensatz zu Ärzten, Pharmaindustrie und vor allem den Ländern haben die Apotheker ihre Sparziele bei den Gesundheitsreformen der Vergangenheit immer eingehalten. Außerdem geht es ja nicht um den Verkaufspreis, sondern um die Gewinnspannen, die nicht automatisch bei teureren Medikamenten am höchsten sind.
derStandard.at: Sie haben als Gesundheitsminister eine auch 2000 schon fällige Reform nicht vorangebracht. Warum nicht?
Haupt: Wir haben das Problem gehabt, eine noch ausufernde Sozialversicherungslandschaft zu haben. Die konnten wie zumindest bei den Pensionsversicherungen reduzieren. Bei den Krankenkassen ist das noch nicht abgeschlossen. Was unübersehbar ist, dass die Wiener Gebietskrankenkasse sich als Staat im Staat geriert. Aber die Reformunwilligsten von damals sind heute gespalten. Der Kollege Bittner (Anm. WGKK-Obmann Franz Bittner) war nun in der Reformgruppe, der Kollege Dorner (Anm. Präsident der Wiener Ärztekammer, Walter Dorner) hat sich in all den Jahren nicht verändert. Der Sager mit den "genetischen Ärztehassern" wird ihn sicher im Laufe der Diskussion einholen. Die Vertreter der Ärztekammer sind es anscheinend nicht gewohnt, dass die, die Zahlen, auch Kostenwahrheit fordern. Als ich im Jahr 2000 übrigens wollte, dass die Krankenhausärzte fix in das System eingebunden werden, hat Andrea Kdolsky übrigens als Mittelbauvertreterin gegen mich demonstriert.
derStandard.at: Trägt die Patientenquittung zur Kostenwahrheit bei?
Haupt: Es ist gut, dass kontrolliert wird, ob in der Abrechnung an die Krankenkassen geschummelt wird. Es ist zum Beispiel nicht einzusehen, dass der Patient, wenn er ein Rezept holt, eine ganze Ordination zahlen muss. Eine Quittung pro Arztbesuch halte ich aber für übertrieben.
derStandard.at: Sie sind ja selbst überdurchschnittlich oft Patient. Welche Erfahrungen haben Sie mit dem System?
Haupt: Unser System ist immer noch ein Vorzeigesystem. Vor Ostern bin ich wieder an einem Herzinfarkt vorbeigeschrammt, da konnte ich mich davon überzeugen. Dass wir kein Zwei-Klassensystem haben, halte ich allerdings für einen großen Schwindel. Hier muss es mehr Transparenz geben.
derStandard.at: Laut Fahrplan bleiben jetzt genau zwei Wochen für das Begutachtungsverfahren des Reformpaketes. Der früheren schwarz-blauen bzw. schwarz-orangen Regierung hätte man in so einem Fall vorgeworfen, eine "Speed-Kills-Politik" zu betreiben.