Im Horr-Stadion, während des Spiels Austria - Vaalerenga (2:0), erzählte Schauspieler Peter Simonischek von seinem Zugang zum Fußball.

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DER STANDARD: Sie besuchen regelmäßig Spiele der Austria. Und auch sonst sind Sie öfters in Stadien zu sehen. Würden Sie sich als Fan bezeichnen? Simonischek: Mein mittlerer Sohn, der Benedikt, der ist ein richtiger Fan. Ich bin ja zu alt, um ein richtiger Fan zu sein.

STANDARD: Man kann zu alt sein dafür?
Simonischek: Na ja, bei einem richtigen Fan sind Gerechtigkeit und Fairness keine Kriterien. Das ist eine irrationale Art der Begeisterung, die zwar Leute in meinem Alter auch haben können. Aber ich bin manchmal richtig erstaunt, wie manche Menschen, denen man das gar nicht so zutraut im Alltag, aus sich herausgehen und auf dem Fußballplatz etwas ausleben, wo man dann denkt, Gott sei Dank gibt es den Fußballplatz.

STANDARD: Ist Ihr Zugang demnach ein gereifterer?
Simonischek: Ob das jetzt gereifter ist, weiß ich nicht. Ich bin ja relativ spät dazugekommen. Ich bin 1999 von Berlin nach Wien gekommen, und bis dahin war ich eigentlich bei Hertha BSC. Ich habe erst angefangen, mich wieder für Fußball zu interessieren, nachdem ich eine Pause von etwa 15 oder 20 Jahren gemacht habe. In Berlin, da war ich am Theater, und Hertha BSC war, solange die Mauer bestand, manchmal sogar drittklassig. Da habe ich mich nicht interessiert, es gab ja auch keine Alternative zur Hertha, außer der Sportschau.

STANDARD: Dabei sind Sie ja in Ihrer Internatszeit im Konvikt Sankt Paul im Lavanttal erst zu einer Theatergruppe gestoßen, nachdem sich herausgestellt hat, dass es Ihnen am fußballerischen Talent gebricht. Ist das noch eine offene Wunde?
Simonischek: Das kann schon sein. Ich komme ja aus der Oststeiermark, einem Hügelland. Es gab überhaupt keinen Fußballplatz, erst viel später, als mein Vater Mitbegründer von Union Markt Hartmannsdorf wurde. Dadurch, dass ich als kleiner Bub nicht gespielt habe, war ich dann im Internat der, der bei der Mannschaftswahl immer als Letzter genommen worden ist. Da habe ich gelitten darunter, unter diesem Nein, den nehmen wir nicht. Kinder sind ja beinhart.

STANDARD: Obwohl Sie in Ihrem Beruf erfolgreich sind - gibt's da noch eine Sehnsucht?
Simonischek: Gerade wenn sie ganz einen anderen Beruf haben, ist oft die Sehnsucht da. Ich bin ja zum Beispiel ein begeisterter Bergsteiger und Kletterer. Ich war aber noch nie an einem Kletterseil. Ich habe nur alle diese Bücher gelesen. Vom Harrer, vom Buhl, von den Franzosen wie Rébufatt. Ich habe das alles mit Begeisterung gelesen. Das war wie ein unerfüllter Traum. Beim Fußball war ich sehr realistisch. Mein älterster Sohn, der Max, der hat im Verein gespielt, in Plön, wo er im Internat die Matura gemacht hat. Der wäre sehr gerne Fußballer geworden.

STANDARD: Er ist aber Schauspieler geworden.
Simonischek: Ja, aber er hat vom Fußball noch viel mitgenommen. Und ich finde das sehr gut. Der Fußball hat schon einen großen pädagogischen Wert. Weil er einerseits ein Mannschaftssport ist, andererseits muss man aber auch solistische Verantwortung übernehmen. Das ist so ähnlich wie auf der Bühne. Sie können nicht alleine Theater spielen, müssen aber trotzdem ihre Sache selbst verantworten und verwalten.

STANDARD: Ist diese Analogie zwischen Fußball und der Schauspielerei, dem Theater, nicht schon abgeschmackt?
Simonischek: Mir ist das wurscht, ob das jetzt abgeschmackt ist, aber es hat deutliche Parallelen. Man muss sich aufeinander verlassen können. Man muss bestimmte Spielzüge einstudiert haben. Das ist bei uns auf der Bühne gleich. Auch wenn es für die Zuschauer so ausschaut, spielen sie ja nicht jeden Abend dasselbe. Das ist nur in groben Zügen dasselbe. Es ist trotzdem wichtig, dass jeden Abend Entscheidungen getroffen werden von jedem Einzelnen. Das macht es lebendig, sonst ist es langweilig, und es interessiert sich keiner mehr dafür. Das wünscht man sich natürlich auch auf dem Fußballplatz. Man möchte Individuen sehen, die Entscheidungen treffen.

STANDARD: Sehen Sie das oft genug, etwa bei der Austria?
Simonischek: Da bin ich mit dem Prinzip Hoffnung. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wenn man Spiele der Champions League sieht, kommt einem das ja wie ein Tanz vor. Es ist so spannend, wie man den Plan nicht durchschaut, der hinter manchen Spielzügen steckt, und auf einmal sieht man, warum dieses und jenes passiert ist. Und hier, auf unserem Niveau des Fußballs, leidet man, aber man sieht auch, dass das harte Arbeit ist, wie schwer das ist. Dass es nicht selbstverständlich ist, dass man einen Ball so annehmen kann, dass der auch liegen bleibt. Das sind Fertigkeiten, die man ja nur lernt, wenn man klein ist, auf der Straße gespielt hat.

STANDARD: Sie sind Botschafter der Leidenschaft für die EURO 2008. Ist das viel Arbeit?
Simonischek: Da habe ich leider bis jetzt weniger tun können, als ich wollte. Das Einzige, was ich gemacht habe, war ein Trailer für die Pause des Neujahrskonzerts auf der Jedermann-Bühne - als Jedermann mit so einem EURO-Ball. Wenn das gut zusammengeschnitten ist, schaut das sicher perfekt aus.

STANDARD: Nun ist es aber momentan sicher schwer, Leidenschaft zu erwecken für die Nationalmannschaft.
Simonischek: Ja, das ist schwer, aber es gibt einen trostreichen Gedanken. Die deutsche Nationalmannschaft wurde vor der WM ungefähr mit dem gleichen Optimismus oder dem gleichen Pessimismus bedacht wie die österreichische jetzt.

STANDARD: Sind Sie auch einer der Millionen österreichischen Teamchefs?
Simonischek: Das ist ja eigentlich das Stammtisch- und FanWesen, dass man relativ kostenlos schlau daherreden kann. Ich hoffe natürlich auch, dass es eine Überraschung gibt, auch vom Teamchef. Josef Hickersberger vertritt in der Außendarstellung ja eher die Kreisky-Schule. Aber dadurch, dass der Bruno Kreisky so langsam geredet hat, war alles wichtig, was er gesagt hat.

STANDARD: Sind Sie wenigstens vom EURO-Fieber gepackt?
Simonischek: Ich bin erst einmal enttäuscht, dass ich noch keine Karten bekomme habe, obwohl ich dauernd am Schreiben bin im Internet. Mein Sohn sagt, ich säße an der Quelle, weil ich so viele Leute kenne. Aber die Leute, die mit der EURO Geld verdienen, kenne ich leider nicht.

STANDARD: Sie werden also vor dem Fernseher sitzen. Simonischek: Ich bin in erster Linie Fan von gutem Fußball, dann schaue ich mir das auch im Fernsehen voller Genuss an. Es reicht mir eigentlich schon, wenn ich zwei-, dreimal im Jahr ein tolles Spiel im Stadion sehe, weil ich dann vor dem Fernseher das auch anders genieße. Seit ich das erste Mal in Wengen das Lauberhorn-Rennen gesehen habe, sehe ich den Abfahrtslauf im Fernsehen mit anderen Augen. Nichts ersetzt den Augenschein. Aber der Augenschein hat auch Wirkung auf die Konserve, deshalb möchte ich für die EURO ein, zwei Karten für Spiele. (DER STANDARD, Printausgabe, Montag, 24. September 2007, Sigi Lützow)