Während dies Firmen satte Profite beschert und sie sich Wirkstoffe und Herstellungsverfahren vielfach durch Patente sichern, gehen die Herkunftsländer von Rezepten und Rohstoffen oft leer aus. Eignen sich Privatleute genetische oder biologische Ressourcen unrechtmäßig an, dann heißt das landläufig "Biopiraterie".
Verhandlungen
Auf der UN-Artenschutzkonferenz in Bonn verhandeln rund 190 Staaten über Schritte gegen diese Art der Piraterie, die seriös mit einem Beipackzettel daherkommt. Umweltschutz- und Entwicklungsorganisationen fordern strengere Regeln, um die Rechte von Entwicklungsländern und deren Bewohnern zu sichern. Diese sollen die Kontrolle über ihre genetischen Ressourcen und ihr seit Generationen überliefertes Wissen behalten - und am Gewinn fair beteiligt werden. Gemeinsam machen sich die Organisationen dafür stark, bisher geltende freiwillige Leitlinien durch verbindlichere Vorschriften zu ersetzen. In Bonn sollen nun die Weichen gestellt werden.
Beispiel Patentanfechtung
Schon jetzt beschäftigt das Thema Biopiraterie Juristen: Entwicklungsorganisationen fechten derzeit Patente auf ein Pflanzenextrakt an, das der deutsche Pharmakonzern Schwabe erfolgreich vertreibt. Der Hersteller wirbt mit dem Slogan "Aus der Savanne Südafrikas" für sein Produkt zur Behandlung von Atemwegserkrankungen, und tatsächlich - das Rezept basiert auf der traditionellen Heilkunde des Landes. Nach Angaben der Kritiker setzten einheimische Zulu und Xhosa in der südafrikanischen Kap-Region die Pelargonien, aus denen die Tropfen hergestellt werden, schon seit jeher gegen Atemwegsinfekte ein.
Für die Patentgegner geht es hier klar um Biopiraterie: Der Pharmakonzern nutze die Pflanzenwurzeln in Verbindung mit traditionellem Wissen "ohne die vorherige Zustimmung des südafrikanischen Staates und der Dorfgemeinschaften an Ort und Stelle", kritisiert Michael Frein vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED), der die Patent-Einsprüche des African Center for Biosafety und betroffenen Einheimischen gemeinsam mit anderen Organisationen unterstützt. Schwabe-Marketingchef Traugott Ullrich weist den Biopiraterie-Vorwurf "definitiv" zurück. Das Wissen um die Heilkraft der Pflanzen sei schon seit hundert Jahren in Europa bekannt. Im Herstellungsverfahren von Schwabe stecke obendrein viel eigene Entwicklungsarbeit und "sehr viel eigenes Know-how".
Indien
Frein spricht von "Hunderten und Tausenden" mutmaßlichen Fällen von Biopiraterie weltweit. Die indische Regierung habe 2006 eine Studie zu US-Patenten auf indische Heilpflanzen vorgelegt, bei denen Verdacht auf Biopiraterie bestand. Demnach gab es allein im Jahr 2000 bereits 5.000 US-Patente auf Medizinalpflanzen aus Indien, im Jahr 2003 seien es bereits 15.000 gewesen. Als einen "eingeschränkt positiven Fall" bezeichnet Frein die Tatsache, dass das afrikanische San-Volk mittlerweile - wenn auch geringe - Lizenzerträge aus der Vermarktung von Appetitzüglern aus dem Hoodia-Kaktus erhält: Denn die San waren es, die die hungerstillende Wirkung der Pflanze entdeckten und nutzten.
Wirtschaftlichkeit
Ein Interessenausgleich ist so schwierig wie wichtig, um etwas für Artenvielfalt insgesamt zu tun. Denn auch gegen das Artensterben allgemein soll in Bonn angegangen werden. Dies ist umso aussichtsreicher, je mehr sich Artenschutz für Industrie- wie für Entwicklungsländer rechnet. Der Ökonom Pavan Sukhdev veranschlagt den Wert von Arzneien aus genetischen Ressourcen weltweit auf bis zu 150 Milliarden Euro im Jahr.