Wien – Die Zahlen könnten nicht weiter auseinanderliegen. Bis Ende Februar wurden nur 625 Schwerarbeiter-Pensionen von der Pensionsversicherung genehmigt, zeigt eine aktuelle Anfragebeantwortung von Sozialminister Erwin Buchinger (SP). Gleichzeitig mussten Österreichs Unternehmer heuer erstmals melden, ob sie in ihren Betrieben Schwerarbeiter beschäftigen. Das überraschende Ergebnis: Mit Stand 25. März sind 453.760 Schwerarbeitsmeldungen eingetroffen. Die Sozialversicherung der Bauern hat gleich alle rund 165.000 hauptberuflichen Landwirte als Schwerarbeiter gemeldet.

Schwieriges Kalorienzählen

Laut Gesetz dürfen Schwerarbeiter statt mit 65 schon mit 60 Jahren und mit niedrigeren Abschlägen in Pension gehen. Voraussetzung ist, dass sie mindestens zehn der letzten 20 Dienstjahre als Schwerarbeiter tätig waren. Als Schwerarbeiter gilt, wer durch körperliche Arbeit mindestens 2000 Kalorien verbraucht, mindestens sechs Nachtdienste im Monat macht, extremen Temperaturen oder chemischen Einflüssen ausgesetzt ist.

Und diese Kriterien könnten auch ein Grund für die hohe Zahl an Meldungen sein, vermutet man im Sozialministerium. Vor allem mit dem Kriterium „2000 Kalorien“ könnten die Firmen wenig anfangen, weshalb die Meldungen dann eher „Pi mal Daumen“ erfolgen würden. Vermutet wird auch, dass viele Unternehmer melden, weil sie eine Chance sehen, Mitarbeiter mit 60 loszuwerden. Dazu kommt: Sanktionen sind bei Falschmeldungen nicht vorgesehen.

Im Juni wird sich nun die Schwerarbeiter-Kommission mit dem Meldeverhalten beschäftigen, heißt es im Sozialministerium. Offenbar gebe es „eine Tendenz zu überschießenden Meldungen“. Gleichzeitig müssten die Krankenkassen eine „Plausibilitätsprüfung“ durchführen. Denn klar ist:_Die Meldungen haben auch für die spätere Anerkennung von Schwerarbeiter-Pensionen „faktisches Gewicht“, wie es heißt. Jeder Antrag werde zwar individuell geprüft, „im Zweifel“ werde ein Sachbearbeiter aber wohl der Meldung durch die Firmen glauben.

Grünen-Sozialsprecher Karl Öllinger, der die Anfrage eingebracht hat, fordert Buchinger auf, „die verpfuschte Schwerarbeiterregelung“ zu überarbeiten. „Ich vergönne jedem eine Schwerarbeiter-Pension, aber die Zahl 450.000 kommt mir relativ hoch vor.“ Er sieht auch ein „Gerechtigkeitsproblem“. Von bisher 625 Schwerarbeiter-Pensionisten sind 318 Bauern, die aber nur rund fünf Prozent der Beschäftigten ausmachen. (Günther Oswald/DER STANDARD, Printausgabe, 16.5.2008)