Jumana Mannas Fotoserie "Arab Men" hinterfragt Posen und Oberflächen arabischer Männer.

Foto: Manna

Klosterneuburg – Es sieht aus, als würden Insekten aus den Ritzen herausquellen, sich von den Raumkanten her über Stufen und Decke ausbreiten: Die Haarnadel-Invasion wirkt unkontrolliert, geradezu bedrohlich. In einer anderen Ecke regen die Tausendschaften der kleinen Metallklammern zum nachdenklichen Schmunzeln an, weil sie sich nicht an ihr zugewiesenes Areal halten, hier in das Hoheitsgebiet eines Kunstwerks eingreifen, dort frech um die Ecke lugen.

Manar Zuabi, eine Palästinenserin mit israelischem Pass, hat diese imaginären Landkarten aus Nadeln gezeichnet. Nicht von ungefähr erinnern manche Umrisse an menschliche Körper, meint Zuabi, sind doch die Geschichten der Landkarten auch jene von Menschen.

Probleme in Israel

Zuabi ist eine der rund 20 Künstler in "Overlapping Voices", eine jener Stimmen Israels, die die Kuratoren hörbar machen wollen. Nicht die gerne herbeizitierte Rarität einer gemeinsamen Ausstellung von israelischen und palästinensischen, jüdischen und arabischen Künstlern steht im Vordergrund, auch wenn dieser Umstand im Vorfeld der Ausstellung für einige Probleme gesorgt hat, sondern die verschiedenen künstlerischen Strategien, auf sozialpolitische Probleme in Israel zu reagieren. Das Sichtbarmachen von Biografien und Einzelschicksalen verbindet viele der Arbeiten.

So zeigt etwa die jüngste Künstlerin Jumana Manna Fotografien der kaum erwachsenen Arab Men, einmal verletzlich, nachdenklich am Bett ihrer "Kinderzimmer", daneben mit coolem männlichen Gehabe. In einem Video lässt Manna fünf Palästinenser in jüdische Rollen schlüpfen und einen hebräischen Psalm über die Rückkehr der Juden ins gelobte Land singen. Ursprünglich waren es sieben Männer, zwei verweigerten die Beteiligung an der Ausstellung als "Teil ihres Boykotts jeder kulturellen Zusammenarbeit mit Israel", bedauert die Künstlerin.

Auch Tal Adler, Künstler und Co-Kurator der Ausstellung stellt Biografien ins Zentrum seiner Arbeit. Gemeinsam mit einer NGO setzt er sich für die 160.000 Beduinen ein, die im Süden Israels in der Wüste Negev in vom Staat Israel nicht anerkannten Dörfern leben, und schließt Informationslücken. In ausdrucksstarken Fotografien portätiert er die Bewohner, erzählt ihre Geschichten, etwa jene des Bauern und Schafhirten Ibrahim. Geschichten, die die Besucher als Kopien mit heimnehmen können.

Auch Shula Keshet engagiert sich aktiv für die unterprivilegierten Israelis, macht in ihren Arbeiten darauf aufmerksam, dass orientalische, arabische Juden gegenüber den Juden, die aus Europa und dem Osten stammen, benachteiligt sind. Manar Zuabi bringt es auf den Punkt: "Der israelische Staat muss seine ethnische Vielfalt akzeptieren", so die palästinensische Israelin. Sie habe keine Probleme, mit den Juden zusammenleben, sondern damit, unterdrückt zu werden. Das sind Lebensbedingungen und fehlende Toleranz, die eben nicht auf die "Pole" Palästinenser und Juden begrenzt sind.

Eine ausgezeichnete Ausstellung, die von ihren unterschiedlichen Zugängen genährt wird, die aber auch von ihren Biografien lebt. Nicht nur jenen der Porträtierten, sondern auch jenen der Künstler. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.5.2008)