"Ich habe keine Pläne. Ich finde es langweilig, irgendetwas zu erfüllen, was ich mir irgendwann einmal vorgenommen habe": Anselm Glück.

1950 in Linz geboren, lebt Anselm Glück seit 1978 als Maler und Autor in Wien. Zuletzt: "Rastlose Lethargie", "Mehr Gegenwart, mehr Bilder", beides edition splitter.

Foto: STANDARD /Robert Newald

Schüttelt sie nur ein wenig durcheinander. In einer seiner berühmten Lese-Performances trägt er am 28. Mai daraus vor. Vorher sprach er mit Cornelia Niedermeier.

Wien – "Im Innern hängen die Gedanken und die Stimme jagt sie als Worte verkleidet fremd und vorlaut ins Feld." Der Satz steht in Anselm Glücks jüngstem Buch Die Maske hinter dem Gesicht. Wer ihn liest, wird sich, so er je eine der "Lesungen" des Autors und Malers besucht hat, an diesen besonderen Moment zurückerinnern. Anselm Glück nämlich liest seine Texte nicht, er trägt sie auswendig vor.

Seit den Achtzigerjahren begleitet er bei solchen Lese-Performances den in ruhigem, klaren Ton vorgetragenen Text mit sparsamen Gesten. Gestischen Miniaturen, die an die Mechanik von Maschinen erinnern – und die ruhelosen Gedankengebilde stimmig kontrapunktieren. Vierzig bis sechzig Minuten können solche Vorträge dauern, rhythmisch unterbrochen von eingestreuten Erzählungen.

Viele seiner Texte habe er bis heute im Kopf gespeichert, so Anselm Glück im morgendlichen Gespräch – auch einen Großteil der rund 350 Seiten von Die Maske hinter dem Gesicht.

In wenigen Tagen, am Mittwoch, dem 28. Mai, wird er daraus in der Alten Schmiede in Wien vortragen, ein Abend, den nicht zu versäumen hier dringend angeraten sei. Und der den lauschenden Lesern einmal mehr Gelegenheit gibt, über die wunderbar lose gereihten Textstücke nachzusinnen, die eine wilde Rahmenhandlung eher streift als rahmt: Ein Dichter reist darin zu einem winterlichen Literaturaufenthalt aus Wien nach Graz, um an einem Roman zu schreiben, getrieben von einem Verleger, der "Mehr Sex. Und mehr Blut" ins Buch fordert – und begegnet, im Zustand ständiger Berauschung, unzähligen Frauen, Kommissaren, Detektiven. Figuren werden ermordet, interniert, verschwinden in Narrenhäuser und Gefängnisse ...

Der Verlag, Anselm Glücks Verlag – Jung und Jung – bündelt die gedankliche Ordnungslosigkeit denn auch, mit dem Hang des Verlegers zur Etikette, ordentlich zum "Roman" – eine Inhaftierung, gegen die die Gedanken, die im Innern darin hängen – oder fliegen oder schweben – vom Drang nach Unabhängigkeit beseelt allerheftigst aufbegehren.

Standard: "(wie es gewesen sein könnte)" schreiben Sie zu Beginn von Die Maske hinter dem Gesicht. Wie konzipieren, wie beginnen Sie ein solches Buch?

Glück: Ich habe keine Pläne. In meiner Mal-Werkstatt und rund um mein Bett liegen Hefte. Und immer, wenn mir etwas zufliegt, schreibe ich das auf. Diese Hefte sammle ich. Dann fahre ich damit in eine andere Stadt – um ein Buch zu schreiben, beziehe ich immer eine Wohnung in einer anderen Stadt. In dem Fall in Graz. Dort schreibe ich konzentriert am Grundgerüst und nehme immer wieder die Hefte her und flechte das, was mir damals zugeflogen ist, ein.

Standard: Das Programm ist also das Fehlen eines Programms?

Glück: Genau. Es ist mein Konzept, keines zu haben. Sondern immer für das da zu sein, was in dem jeweiligen Moment gerade interessant ist für mich. Ich finde es langweilig, irgendetwas zu erfüllen, was ich mir irgendwann einmal vorgenommen habe. Das verschiebt dann etwas, das hier und jetzt da sein könnte.

Standard: Dennoch wird es, wie bei anderen Romanen mit viel Blut und viel Sex, auch von Ihrem eine Fortsetzung geben.

Glück: Ich bin mittendrin und werde in eineinhalb oder zwei Jahren den Nachfolgeband haben. Aber etwas anders. Hier ist der Autor hysterisch, überdreht, aggressiv, unter ständiger Berauschung. Und im nächsten Fall ist er ruhiggestellt — interniert könnte man auch sagen. Er hat, was ihm hier fehlt, Ruhe. Er ist komplett beruhigt. Aber das ist nur eine leichte Klammer. Was dazwischen alles los ist ... (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.5.2008)