"Ein Rolls-Royce schien mir zu unangemessen für mich", sagt Thaddäus Podgorski. Daher der Bentley.

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Der herausragende Schauspieler und Ifflandringträger Josef Meinrad war abseits der Bühne für seine Zurückhaltung und seine Bescheidenheit bekannt. Er leistete sich nicht viel. Aber er fuhr Rolls-Royce. Zuerst einen Silver Dawn, dann einen Silver Shadow. Seine Kollegin Adrienne Gessner sagte über ihn: "Seit der Pepi den Rolls-Royce hat, ist er noch viel bescheidener."

Auch Thaddäus Podgorski ist Schauspieler, vielleicht nicht ganz so herausragend wie Meinrad, aber bescheiden wie dieser, vielleicht noch einen Hauch bescheidener: "Ich wollte keinen Rolls-Royce. Ich wollte einen Bentley", sagt Podgorski. "Ein Rolls-Royce schien mir zu unangemessen für mich."

Ein Bentley gilt zwar als "poor man's Royce", man könnte aber meinen, dass auch ein Bentley für Podgorski unangemessen ist. "Ich wollte die Exklusivität vom Sockel stoßen", sagt er wie zur Entschuldigung. Was man dem Autonarren zugute halten kann: Podgorski kaufte seinen Bentley gebraucht. Nicht nur gebraucht, er kaufte ihn in Kisten. In vielen Kisten.

Auch auf der Insel rar

Es ist ein Bentley Type-R Standard Steel, Baujahr 1954. Baugleich wie Meinrads Silver Dawn: gleiche Karosserie, gleicher Sechs-Zylinder-Motor, aber andere Ausstattung und natürlich eine andere Kühlerfigur - das wesentlichste Unterscheidungsmerkmal. (Rolls-Royce und Bentley waren von 1931 bis 2003 zwar zwei Marken, aber ein Unternehmen. Heute gehört Rolls-Royce zu BMW und Bentley zu VW.)

Podgorski hat seinen Bentley Type-R lange gesucht, vorwiegend in England. In Österreich und Deutschland war der Wagen de facto nicht vorhanden, aber auch auf der Insel war er rar: Der Rost vernichtete den Bestand im Eiltempo. Podgorski, damals Sportchef beim ORF, wandte sich dennoch hoffnungsfroh an den Präsidenten des britischen "Rolls-Royce Enthusiast's Club", einen gewissen Lord Epping. Der empfing den rührigen Journalisten aus Wien schließlich in der Swallow Street in London, in der "Bentley's Oyster Bar". Das Gespräch geriet ins Stocken, als Podgorski sein Budget darlegte. Er wollte (und konnte) nicht mehr als 150.000 Schilling ausgeben. Das war Anfang der 70er, und Lord Epping ließ den knauserigen Österreicher die Restaurant-Rechnung zahlen. Das Budget hatte sich damit erneut verknappt.

Podgorski entdeckte den Wagen schließlich in den 80er-Jahren in einer Kleinanzeige im Kurier, mit der Bemerkung "günstig". Es war ein Notverkauf. Der junge Mann hatte den Bentley offensichtlich ohne das Wissen seines Vaters, aber mit dessen Geld gekauft. Und musste sich wieder davon trennen. Das Verhältnis zwischen dem Vater, dem ein großes Modehaus in Wien gehörte, und dem Junior schien überhaupt schwer belastet zu sein, der junge Mann stand vor einer überhasteten Ausreise in die USA. Am Telefon fügte der Junior beiläufig an: "Der Bentley befindet sich in zerlegtem Zustand." Podgorski ging erst gar nicht selbst zum Termin, sondern schickte einen Mechaniker hin. Der erstattete Bericht: "Es sind zwölf Kisten." Aber auf den ersten Blick schien alles da zu sein. "Können wir das zusammenbauen?", fragte Podgorski.

Depressionen, Reueanfälle, Gewissensbisse

Für den in Kisten befindlichen Type-R zahlte er 80.000 Schilling. "Das Auto an sich war noch das Günstigste", erzählt Podgorski. Der Arbeitsplatz des Mechanikers und diejenigen weiterer zweier Kollegen waren gesichert. Immerhin stellte sich heraus, dass tatsächlich alle wesentlichen Teile vorhanden waren. Podgorski selbst schildert die Zeit so: "Zwei Jahre lang fast täglich in der Werkstatt, fast täglich etwas zu bezahlen, fast täglich eine paralysierende Entdeckung, fast täglich schwere Depressionen, Vorwürfe, Reueanfälle, Gewissensbisse, Selbstbetrügereien, Gebete, Hoffnungsflackern, Zornausbrüche und am Ende die Konturen eines Erfolgs."

Wenn Podgorski heute von "meinem Bentley" spricht, dann scheinen sich Kauf und Folgekosten gelohnt zu haben. Wie er das sagt: "Mein Bentley." Da schwingt nicht nur Besitzerstolz mit, das ist eine Weltanschauung. Podgorski schwärmt: "Da ist das gesamte britische Empire drinnen, Schottland besonders, und Irland auch."

Jedes Jahr fährt er ein paar hundert Kilometer. "Wenn man sich bemüht, geht er 160", sagt Podgorski, er selbst fährt aber kaum schneller als 120 km/h. Ungern fährt er in der Stadt. "Das ist, wie wenn du mit der Tramway unterwegs bist. Der braucht wirklich viel Platz. Ganz schlimm ist das Parken. Und nicht einmal in alle Parkgaragen kommt man hinein." Auch wenn es der 72-Jährige unerträglich findet, dass sein Bentley bewundert wird, wenn er selbst nicht dabei ist, lässt er den Wagen gelegentlich doch in der Stadt stehen.

Beim Einparken wird er von Passanten erwartungsfroh beobachtet, dann umkreist, freundlich begrüßt und ausgefragt. Den Teddy kennt man, den mag man, das Auto wird mit aller Ehrerbietung bewundert. Wenn sich Podgorski von seinem Bentley entfernt, kommt es vor, dass er aufgehalten wird: "Hearns, den können S' doch da net so stehen lassn. Wos is, wenn was passiert, wenn a Raudi kummt?" Aber Podgorski weiß: Es passiert nichts. Irgendwer passt in Wien immer auf. Auf seinen Bentley. (Michael Völker/Der Standard/rondo/16/05/2008)